Mittwoch, 15. Oktober 2014

Recording. Copenhagen Style


Musik machen bedeutet für verschiedene Leute ganz unterschiedliches. Vom Blatt Klavier spielen, auf dem Kamm blasen, die Auswirkungen von Handkäs und Bohnensuppe verströmen ... die Bandbreite ist erschreckend. Für mich gehören seit 25 Jahren unter dem Begriff drei Dinge zusammen: Instrumente spielen, Lieder schreiben, Musik aufnehmen. Wie an so vielen Dingen in meinem Lebenslauf ist daran wahrscheinlich niemand geringeres Schuld als der Commodore Amiga 500. Als einer der ersten echten Multimedia-Computer gab es darauf richtig gute und intuitive Musiksoftware wie Aegis' Sonix oder den NoiseTracker. In den späten 80ern war bei mir mit Instrumentenbeherrschung noch nicht viel her (und wer mit mir schonmal zusammengespielt hat weiß, dass sich daran bis heute nur wenig geändert hat). Musik am Computer zu schreiben war vergleichsweise einfach, und ich verstand plötzlich Konzepte wie Polyphonie und Rhythmus viel besser, als sie mir meine Musiklehrer je hatten vermitteln können.


Als ich irgendwann zu PCs gewechselt bin, hatte sich dort die Musiksoftware schon kräftig weiterentwickelt, aber zum Teil auch in die gleiche Richtung. Mit dem ScreamTracker beispielsweise bin ich sehr schnell warm geworden, und bei Jeff Lims großartigem ImpulseTracker habe ich sogar irgendwann direkt beim Programmierer die Vollversion gekauft, was Ende der 90er hieß, auf der Bank australische Dollar einzutauschen und in einem gut versiegelten Umschlag per Post einmal um die Welt zu schicken. Mit 'richtiger' Musiksoftware konnte ich damals noch nichts anfangen, weil Sequencer eine andere Denke haben als Tracker und sich an der Logik von physischen Studios orientieren - wovon ich zu dem Zeitpunkt nicht den geringsten Schimmer hatte. 

Das hat sich geändert, als ich 1992 One Year and a Half in the Life of Metallica gesehen habe - zum ersten Mal gesehen habe, sollte ich sagen. Den ersten Teil über die Aufnahmen des Black Album habe ich mir mindestens ein Dutzend Mal angeschaut, und in der Folge bin ich auf alles aufgesprungen, was mit Tonstudios zu tun hatte. In den nächsten Jahren hatte ich dann meine ersten Bands, ich habe regelmäßig Radio gemacht, und unvermeidlich bin ich auch in dem ein oder anderen Studio gelandet. Interessanterweise habe ich aber nie mit einer eigenen Band in einem Studio aufgenommen, sondern habe als Tontechniker oder Backgroundsänger bei anderen ausgeholfen. Und das war sehr lehrreich, weil ich schnell verstanden habe, dass in den meisten Studios nicht gute Aufnahmemöglichkeiten verkauft werden, sondern der Prestigefaktor, in einem Studio aufgenommen zu haben. Die meisten Leute, die ich in dieser Umgebung getroffen habe, von den Inhabern über die Mischer bis hin zu den Musikern, waren aus Imagegründen dort, und das gleiche gilt für viel Equipment. Natürlich ist es beeindruckend, wenn die Hauptabhöre Lautsprecher mit einem größeren Volumen als meinem eigenen sind und so viel kosten wie ein Kleinwagen. Das macht die darüber aufgenommene Musik aber nicht notwendigerweise besser. Dazu braucht es Talent und Erfahrung, vor und hinter den Instrumenten. 

In den letzten fünfzehn Jahren habe ich bestimmt zweihundert eigene Songs und ein Dutzend Banddemos aufgenommen, und so langsam bin ich an dem Punkt angekommen, wo ich mit den Ergebnissen einigermaßen zufrieden bin. Im Moment verbringe ich viele Abende in Kopenhagen damit, unser aktuelles Banddemo zu mischen und meine Spuren darauf einzuspielen, was mittlerweile einfach eine Freude ist. Ich habe über die Jahre eine kleine Auswahl ordentlicher Mikrofone angeschafft, etwas semiprofessionelle Software und eine gute Soundkarte gekauft, und was damit alles möglich ist, hätte ich bei meinen ersten Aufnahmen nie gedacht. Auf meiner Couch sitzend in Dänemark die bisher aufgenommenen 28 Spuren auf einem Laptop mischen zu können, während meine Band zu Hause in Deutschland weitere Instrumente einspielt, die ich mir dann nach und nach auf meine winzig kleine Festplatte kopiere, wenn ich mal im Lande bin, das ist alles fast zu gut um wahr zu sein.

Denke ich manchmal wehmütig daran, wie es wäre, in einem "richtigen" Studio aufzunehmen? Nicht wirklich. Natürlich ist so etwas wie Dave Grohls Sound City Movie eine Inspiration, aber größtenteils wegen der talentierten Musiker und Sänger. Für diejenigen, die nicht hinter Youtubes deutscher Firewall sitzen oder eine VPN-Verbindung bedienen können, gibt es auch online phantastische Performances zu bewundern. Denn was wir da sehen ist wieder die Aura des exklusiven Aufnahmeraums, in dem man selbstverständlich toll Musik machen kann. Wenn mir jemand einen Nachmittag mit Corey Tailor, Aaron Lewis oder Maynard James Keenan vermittelt, mache ich mit den Herren aber auch eine Emmy-verdächtige Aufnahme. Musik wird vor dem Mikro gemacht, und zwar größtenteils im Kopf.

1 Kommentar:

  1. Ich habe kürzlich eine Doku über Stax-Records gesehen und fand einen Ausspruch von Carla Thomas sehr schön. Sinngemäß sagte sie, dass die Zeit im Stax-Studio immer wahnsinnig kreativ war, weil man mit seinen Ideen im Kopf reinging, da absolut fähige Leute saßen die daraus musikalisch was machen konnten und am Ende immer fabelhafte Musik herauskam. So stelle ich mir Musik machen im Idealfall vor :D

    Und Sound City steht auf meiner DVD Wunschliste auch noch recht weit oben :-)

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