Mittwoch, 8. Oktober 2014

Halten Haushälter Häuser?

Ich wundere mich seit einer Weile über etwas.

Zehn Wochen bin ich nun zurück in Kopenhagen, in einer Wohnung, die ich sehr mag. Letztes Jahr habe ich über mein furchtbares Zimmer, die lauten Nachbarn und meinen anstrengenden Mitbewohner und seine Tochter ausführlich, oft und vor allem früh geschrieben, und die Situation auch ausführlich bebildert. Warum mache ich das also nicht für meine neue, schöne Wohnung? 

Der sozusagen augenscheinliche Grund ist, dass ich seit zwei Wochen habe ich meine gute Kamera an der Uni hatte, weil mein Bürokollege Sebastian Fotos von seinem Forschungsprojekt machen will, das Projekt aber nicht so recht fertig wird. Seitdem habe ich mir eingeredet, ich würde keine schlechten Bilder posten wollen, ich wäre ein fotografischer Perfektionist, ich hätte schließlich keine semiprofessionelle Kamera, damit ich mit den Handy rumknipsen muss. 

Auch wenn da sicher etwas dran ist, habe ich eben begriffen, dass es vielmehr eine Frage des Gegenstands als der Bilder ist. Bei meinem Zimmerchen letztes Jahr konnte ich jammern und auf Mitleid hoffen, denn es war eine insgesamt unerfreuliche Wohnsituation mit vielen fleißigen Teufeln im Detail. Dieses Mal habe ich niemanden, hinter dem ich mich verstecken könnte. Klar habe ich die Wohnung in einem alles andere als renovierten Zustand übernommen, aber obwohl ich jetzt wochenlang Möbel hier hereingeschleppt und mich in gewisser Weise häuslich eingerichtet habe, ist vieles noch im Argen. Manches wird wohl so bleiben und hat auch einen gewissen Charme - die halbfertige Wohnzimmertür beispielsweise.


Über die gähnenden Dübel-Löcher, die meine Vormieter hinterlassen hat, habe ich großzügig Poster gehängt, wo es ging, aber es sind noch immer einige übrig. Mein Schlafzimmer ist noch völlig kahl, weil ich nicht weiß, womit ich auch nur dekorieren sollte. Und mein Esstisch, den mir meine Vermieterin überlässt, hat ein fettes Loch auf der Oberseite, das ich gerne irgendwie kaschieren würde, aber bei dem ich ebenso wie bei den Löchern in der Wand an die Grenzen meines Dänisch stoße. Baumärkte hier in der Stadt sind von der ganz altmodischen Sorte, mit einem freundlichen älteren Herrn hinter einer Theke, viel Metallbeschlägen und den unvermeidlichen Kopenhagener Stuckrosetten zum Mitnehmen, aber so etwas wie Mörtel habe ich noch nicht identifizieren können. Ich habe schon darüber nachgedacht, mir etwas Spachtelmasse in eine Klarsichttüte zu füllen und mitzunehmen, aber die Vorstellung, dem Sicherheitsbeamten am Flughafen die Natur des blässlich braunen Pulvers zu erklären, hat mich von der Idee schnell wieder geheilt.

Kurz: ich habe mich tatsächlich ein bisschen gefürchtet, dass Ihr zu Hause mich auslacht wegen meiner komischen Studentenbude – bis ich begriffen habe, dass Ihr das sowieso tun werdet. Also, hier ist sie, meine (nicht mehr so ganz) neue Wohnung.


Von der Küche, dem Raum, den man nach dem Hereinkommen als ersten sieht, habe ich kein netteres Bild als dieses, direkt nach der Wohnungsübernahme gemachte. Spätestens in voller Größe kann man sicher den dreckigen Boden sehen, der mich nie zuvor empfundene Sehnsucht nach einem Schrubber hat fühlen lassen, aber darüber habe ich mich ja schon genügend ausgelassen. In sauber und mit Lebensmitteln bestückt ist es aber ein wirklich gemütlicher Raum, in dem sich gut arbeiten lässt. Über meine regelmäßige erfolgreiche Kooperation mit meinem Herd werde ich demnächst noch ausführlich berichten. Gerade in einer Küche merkt man schnell, wie viel Platz wir modernen Luxusmenschen doch brauchen. Anfangs dachte ich, dass ich wahrscheinlich nicht die Hälfte der Schränke füllen könnte, und mittlerweile sind eigentlich alle genutzt – und sei es nur für Mülltrennung und Pfandlagerung.

Wohnzimmer und Schlafzimmer sind zusammenhängend und haben auch keine Tür zum Flur, oder besser gesagt nur eine Tür in zwei Türöffnungen. Das macht offen und luftig, und ich muss mal den kommenden Herbst und Winter abwarten, um herauszufinden, ob ich das gut finde. Ich halte schon länger Ausschau nach richtig schweren Vorhängen – Modell Windfang an Kneipentür – um dieses potentielle Energieausweisfiasko einzudämmen. Das Wohnzimmer hat einen wirklich schönen Ausblick auf den alten Fischereihafen, an dem sich die UN einen Büro- und Wohnkomplex hochziehen lässt. Dann haben die zwar die allerbeste Wohnlage und die Nachbarn unter mir fluchen sicher jetzt schon, aber von meinem hohen Ross betrachtet ist das alles halb so wild. Durch die Gebäude hindurch kann ich über das alte Hafenbecken bis rüber nach Schweden sehen – das ist schon nicht schlecht.

Das Schlafzimmer ist, wie gesagt, noch sehr kahl und eigentlich ausschließlich zweckmäßig eingerichtet. Mit dem riesigen Doppelbett, dass ich von meiner Vermieterin bekommen habe, ist allerdings in Sachen Möbeln nicht so wahnsinnig viel Spielraum (im wahrsten Sinne des Wortes). Mir reicht es absolut, so wie es ist, auch wenn natürlich irgendwann ein paar Bilder an die Wände müssen. Im Moment gibt es sowieso nur zwei Fälle: entweder habe ich durchs Fenster eine total gemütliche Spätnachmittagssonne, oder es ist ohnehin dunkel und man sieht nicht viel vom Raum an sich. Und beim Schlafen mache ich noch immer meistens die Augen zu.

Das Bad schließlich ist die übliche Kopenhagener Katastrophe, aber daran gewöhnt man sich wirklich schnell. Klein, kuschelig und irgendwie praktisch, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat. Nur fünf Minuten Zeit für durchs Bad? Kein Problem, hier kann man wirklich alles gleichzeitig machen, die nötige Gelenkigkeit vorausgesetzt. Abgesehen davon, dass ins Waschbecken bestenfalls ein paar Kinderhände passen. Und man muss ein bisschen experimentieren, um die eine trockene Ecke im Raum zu finden und dort Handtücher und so aufzuhängen. Aber sonst gibt es nichts auszusetzen an dem Raum, wenn man jung, schlank und abgehärtet ist. Wenn ihr mich also besuchen wollt, wisst ihr, was euch erwartet ... 



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