Freitag, 24. Oktober 2014

Die Herrschaft der Maschinen

Selbst unter den geschätzten Lesern dieses Blogs gibt es sicher noch immer einige, die sich wundern, was man alles an Universitäten studieren kann. Heute Nachmittag habe ich all diejenigen denken müssen, die Comics und Computerspiele noch immer exotisch finden, denn wir hatten zwei außergewöhnliche Vorträge im Haus - außergewöhnlich selbst nach unseren hier schon recht ungewöhnlichen Maßstäben.

Eine Neuseeländische Kollegin hat uns heute die Forschung des Auckland Institute of Technology in Sachen "E-Textiles" vorgestellt. Ich dachte, ich wüsste halbwegs, was sich dahinter verbirgt, und in gewissem Sinn hatte ich auch recht: eine der im Moment lukrativsten Anwendungen dieser Forschung sind die sogenannten "wearables", also Dinge wie Samsungs Gear "Armbanduhr", die eigentlich am Körper getragene Computer sind - nur eben mit dem Unterschied, dass die Technologie nicht in einem Schmuckstück oder Accessoire steckt, sondern gleich in der Kleidung selbst. Die Logik dahinter ist natürlich bestchend einfach: "Wir vergessen vielleicht mal, unsere Uhr anzuziehen, aber wir gehen eigentlich nie nackt aus dem Haus." Bis jetzt sind zwar viele Anwendungen noch eher effekthascherisch oder künstlerisch, je nachdem, wie man sie sehen will, aber auch da passieren sehr interessante Dinge. Ein je nach Bewegung in unterschiedlichen Farben leuchtender Handschuh mit langen, bunten Tentakeln ist jedenfalls ein wirklich interessantes Stück Ausstattung für ein Ballett. Vor allem ist bei so etwas natürlich die Frage spannend, ob wir das nun als Kleidung wahrnehmen, als Werkzeug, als Spielzeug, als Marionette - das war die Interpretation der Kollegin - oder als etwas ganz anderes.


Wirklich überrascht hat mich allerdings, das diese neuen Wundertextilien nicht gewebt werden oder so, sondern gestrickt. Seit zehn, fünfzehn Jahren gibt es wohl voll programmierbare Strickmaschinen, die in 3D arbeiten, vage nach dem Prinzip des Sockenstrickens, also mit mehreren Nadeln gleichzeitig. Nicht nur hat man also ein computergesteuertes Werkzeug, mit dem man auch die ungewöhnlichsten Formen erzeugen kann, Strick hat auch andere Vorteile. Da diese modernen, mit Elektronik verbundenen Stoffe oft aus mehreren Lagen bestehen müssen - allein schon, um stromführende Teile zu isolieren und zu schützen -, ist Stricken insofern ideal, als es da ja mit Mustern ganz einfach ist, verschiedene Ebenen anzulegen. Damit kann man theoretisch die verrücktesten Kombinationen von Werkstoffen herstellen, zum Beispiel Wollstrümpfe mit thermoplastischen Fäden. Das heißt, man kann Stützstrümpfe stricken, die sich ganz leicht anziehen lassen und erst durch Körperwärme eng und damit stützend werden. Das einzige Problem daran ist der Preis, weil das Zeug für Klinikbedarf viel zu teuer ist und es keinen Vertrieb an Privatleute gibt. Aber das wird sich bestimmt bald ändern.

Danach gab es dann noch eine öffentliche Vorlesung zum Thema "Wie lange es noch dauert, bis Maschinen die Welt beherrschen." Das war zwar alles andere als ernst gemeint, macht einen aber trotzdem unruhig, wenn das von Robotik-Experten kommt, die dabei ein schelmisches Glitzern in den Augen haben, und wenn man gerade vorher erfahren hat, wie nahe wir schon an Kleidung sind, die von Kopf bis Fuß computerisiert ist. Wenn die Maschinen also eines Tages die Herrschaft übernehmen, haben sie nicht nur die Hosen an - sie sind die Hosen!

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