Mittwoch, 6. Februar 2013

Angekommen



Jetzt habe ich also ein Blog. Klasse. Und weiter? 
 
Wie immer, wenn ich nicht so recht weiß, was ich eigentlich sagen soll, muss ich ein bisschen ausholen. (Meine Studenten können das bestätigen, fürchte ich). 

Also: Angeblich dauert ja alles länger, wenn man älter wird. 

Das Ankommen hier könnte ein gutes Beispiel sein. Damit meine ich nicht, dass mein Flug Verspätung gehabt hätte (hatte er natürlich) oder dass meine Einschätzung was die Reisezeit angeht etwas optimistisch gewesen wäre (war sie natürlich). Spät nachts am Sonntag mit einem Trolley durch Kopenhagen zu rumpeln, in dem sich ein ausgewachsener Neufundländer hätte verstecken können (was er zum Glück nicht getan hat), war nicht meine beste Erfahrung in den letzten Wochen, und die erste Nacht in einer neuen, fremden Wohnung ist immer unangenehm. Das ist aber alles halb so wild gewesen.

Das eigentlich anstrengende ist aber gewesen, mit viel zu vielen Unbekannten zu hantieren. Wie ist die andere Uni, wie sind die Kollegen drauf, halte ich meinen Mitbewohner im Kopf aus, wie läuft das mit der Bürokratie hier, wie wird das mit dem Unterrichten in einem anderen System, in einer anderen Sprache, in einem anderen Fach ...

Auf eine dieser Fragen habe ich noch keine Antwort – das 'International Welcome Center', auf dem ich meine Bürokratie erledigen muss, hat nur mittwochs und donnerstags geöffnet –, und auch die restlichen Antworten sind natürlich nur vorläufig, aber es sagt wahrscheinlich mehr über mich aus als mir lieb ist, dass der entscheidende Punkt für meine eigene Beruhigung der Kurs war. Es ist also wohl doch nicht gelogen, wenn ich auf Formularen angebe, ich wäre Dozent.

Es erstaunt mich immer wieder – und das ist bis jetzt sicher auch mein nachhaltigster Eindruck von dieser Erfahrung –, wie sehr wir etwas wissen können, ohne davon überzeugt zu sein. Ich habe nicht erwartet, im Seminarraum unvorbereitet und stammelnd den Deppen zu markieren. Wenn dem so wäre, hätte ich diese Einladung nicht angenommen. Obwohl ich also wusste, dass ich auch auf Englisch einen Kurs leiten kann, war ich unruhig, bis ich die erste Sitzung hinter mir hatte. Ich gestehe es mir nicht gerne ein – und zum Glück liest das hier ja auch keiner außer mir selbst ;-) –, aber es ist wahrscheinlich eine Frage von Stolz und Eitelkeit. Wenn ich mir in den letzten Wochen etwas Sorgen gemacht habe, wie es hier in Kopenhagen laufen wird, dann hauptsächlich, weil ich meine Sache gut machen will. Es wäre eine ungeheure Verschwendung von Ressourcen, wenn ich für die Kollegen und Studenten hier der Clown aus Deutschland wäre, der ihnen die Zeit stiehlt.

Die erste Sitzung ist also gut gelaufen. Das lag nicht zuletzt daran, dass mein Kollege Espen, mit dem ich zusammen unterrichte, weniger einen Vortrag gehalten als eine Reihe provokanter Thesen vorgestellt hat, über die er und die Studenten weit über die Hälfte der Zeit diskutieren mussten. Es war ihm ein bisschen unangenehm, dass ich deshalb weniger Zeit zur Verfügung hatte, aber für mich hätte die erste Sitzung nicht besser laufen können. Ich meine nicht, dass ich froh war, nicht so lange reden zu müssen – ganz im Gegenteil –, aber jetzt weiß ich, was für einen Seminarstil mein Kollege vertritt. Wenn er jede Woche tatsächlich zwei volle Stunden Vorlesung halten würde, müsste ich das auch tun, egal wie wenig sinnvoll ich das finde. Wenn er viel Zeit auf Diskussionen verwendet und nicht unbedingt eindeutige Wissensvermittlung am Ende stehen muss, heißt das für mich, dass ich im Prinzip genau das weitermachen kann, woran ich mich in Bochum gewöhnt habe. Und das ist natürlich gut. Jetzt sind es also nur noch das Fachliche, die andere Sprache, die intensive Seminarform und die neuen Studis, an die ich mich gewöhnen muss. 

Und das kriege ich hin.

Da Ankommen also ein längerer Prozess zu sein scheint, ist es vielleicht auch okay, wenn ich darüber mehr als einmal schreibe. Eben ist beispielsweise der Inhalt meiner Dropbox auf meinem neuen Computer hier angekommen. „5219 Dateien wurden erfolgreich aktualisiert.“ Das klingt doch schon nach einem bemerkenswerten Erfolg. Aber ich bin hier auch mit Sicherheit noch nicht überall angekommen. Morgen gibt's dänisches Einwohnermeldeamt, und am Freitag geht's zu IKEA. Mit einem gemieteten Transporter. Und dem Kollegen, seiner Frau und seiner Tochter. Und den Möbeln, die ich für meinen Mitbewohner umtauschen soll, weil er beim letzten Mal zu viel gekauft hat. Vielleicht sollte ich nochmal drüber nachdenken, ob ich wirklich schon ruhig schlafen kann.

Mal sehen, wie lange es dauert, bis ich mich tatsächlich so fühle, als wäre ich hier angekommen.

1 Kommentar:

  1. Natürlich ist das bei dir etwas gaaanz anderes!
    Und um mit dem Paten zu antworten:
    "Hajo, du bist mein Bruder, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen!"
    Aber ich finde es phantastisch, auf diese Weise an deinem Leben teilhaben zu dürfen.
    Und ich bin unendlich stolz darauf, mich deine kleine Schwester nennen zu dürfen.

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