Montag, 25. Februar 2013

Allein ist man weniger zusammen

Spätestens seitdem ich herausgefunden habe, wie ich allen die Kommentarfunktion zugänglich mache, kriege ich richtig umfassen Rückmeldung auf meine Einträge hier. Neben den sehr willkommenen spontanen Lobes-, Freude- oder Genussbezeugungen und den regelmäßigen notwendigen Korrekturhinweisen (hüstel) kriege ich tatsächlich auch richtige Fragen gestellt. Gehäuft aufgetreten ist vor allem die Frage danach, wie so ein Auslandsaufenthalt denn beziehungstechnisch funktioniert.

Kurz gesagt: schmerzhaft.

Die ausführliche Antwort ist grenzt notwendigerweise ans Gefühlsduselige und kommt nicht ohne ein Spezialvokabular aus, das ich normalerweise in einer sorgsam verschlossenen und gut versteckten Kiste mit der Aufschrift "Selbsthilfeliteratur" aufbewahre. In anderen Worten: Weiterlesen auf eigene Gefahr.

Seinen Alltag kriegt man in unserem Alltag ja irgendwie organisiert, und da sind die notwendigen Abstriche ja vorhersehbar. Die wenigsten Alleinlebenden kochen sich jeden Tag was, und auch die Vorratshaltung ist schwieriger; man isst schlechter und viel auswärts (einzeln und in Kombination), verbringt mehr Zeit mit Aufräumen und Putzen, schläft weniger ruhig, arbeitet länger ... All das ist in erster Linie anders als sonst, nicht notwendigerweise schlechter, denn allein hat man natürlich auch mehr Freiheiten darin, wie man sich organisiert.

Anders als das Alleinsein an sich ist der Verzicht auf den Partner etwas, das sich nur schlecht schönreden lässt. Wenn man das seltene Glück hat, in einer erfüllten, gut funktionierenden Beziehung zu leben, hat es eben nichts positives, plötzlich ohne den anderen auskommen zu müssen. Da helfen nur drei Dinge: Miteinander reden, den Moment leben, eine erfüllte und gut funktionierende Beziehung haben. Der dritte Punkt ist nicht nur tautologisch, sondern deshalb auch nicht zu erklären; dennoch ist er zentral, denn wenn einer von uns auch nur einen Moment lang Zweifel an der Qualität unserer Beziehung gehabt hätte, wären wir nie das Risiko einer solchen Distanzbeziehung auf Zeit eingegangen. Da wir aber genau wissen, wo wir miteinander dran sind, war es kein Risiko. Die beiden anderen Punkte sind weniger selbstverständlich, aber eigentlich die Grundlage für den dritten. Auch daheim reden wir miteinander so viel und offen miteinander, wie es nur geht. Das schafft nicht nur emotional Nähe, sondern verhindert auch Missverständnisse und deren große, gemeine Geschwister, das Deuten und Zweifeln. Wenn ich genug mit jemandem rede und dabei immer ehrlich bin, entsteht keine Situation, in der einer von beiden sich nicht traut, etwas zu fragen und deshalb zu erraten versucht, was der andere denkt, will oder glaubt. Und wenn das nicht passiert, hat man auch keine Zweifel am anderen, schließlich kann man fragen und sich darauf verlassen, eine offene Antwort zu bekommen. Das räumt nicht alle Probleme aus, die man miteinander haben kann, aber doch die weitaus meisten. Und das "den Moment leben" ist etwas (und wahrscheinlich das einzige), das ich aus meinem Oberstufen-Religionsunterricht mitgenommen habe. Die Erkenntnis, dass alles vergänglich ist, hat immer eine gute und eine schlechte Seite - der Moment verweilt nie, wenn er auch noch so schön ist, aber eben auch nicht, wenn wir uns wünschen, er wäre sofort vorbei. Die gemeinsame Zeit, die wir haben, versuchen wir nach Kräften zu genießen, und nach mittlerweile bald fünfzehn gemeinsamen Jahren kann man auch von ein paar Monaten Trennung sagen, dass die Zeit schnell vorbei geht.

Natürlich hilft es enorm, dass wir so etwas vor über zehn Jahren schon einmal gemacht haben. Und als ich in Kanada war, ist es lange nicht so einfach gewesen wie heute, tatsächlich in Kontakt zu bleiben. Skype war damals noch in den Kinderschuhen, so dass wir jeden Tag telefoniert haben wegen der Zeitverschiebung oft von unterwegs oder der Arbeit aus. Noch heute zucke ich zusammen, wenn ich in amerikanischen Filmen öffentliche Telefone in Bahnhofshallen oder Ladenlokalen sehe, weil ich da gefühltermaßen die Hälfte meiner Zeit verbracht habe, nicht selten mit Schlangen grimmiger Einheimischer hinter mir. In Zeiten des Kriegs gegen den Terror wäre der stundenlang ausländisch am Münztelefon quatschende langhaarige Bombenleger garantiert auch irgendwann auf einem Polizeirevier gelandet. Ach, die gute alte Zeit ...

So können wir uns eben trotz allem an vielen Dingen freuen. Daran, dass uns die Technik es heute viel leichter macht als noch vor zehn Jahren, jeden Tag in Ruhe und gemütlich miteinander eine Stunde zu reden. Daran, dass wir uns gut genug kennen, um zu merken wenn der andere müde ist und ihn ins Bett zu lassen. Daran, dass wir heute gut genug verdienen um nicht mehr auf jeden Cent schauen zu müssen. Dann kann man eben auch, so wie letztes Wochenende, spontan sein, sich ins Flugzeug setzen und auf ein Wochenende zu seinem Schatz fliegen. Auch das hilft, selbst wenn man es nicht ständig tut. Die Möglichkeit, die Erreichbarkeit, das sind Faktoren, die einen schon ein Stück weit entspannen lassen. In solchen Momenten hat es dann auch sein gutes, dass die Welt immer kleiner wird.

Ums auf den Punkt zu bringen: Wir sind eben nicht allein, auch wenn wir nicht miteinander rumglucken. Das macht vieles leichter und das Leben insgesamt so viel lebenswerter - egal wo und unter welchen Umständen. So. Genug Nabelschau und Beziehungsratgeberei.Wer noch mehr braucht: Der neue Paulo Coelho soll so gut sein wie all seine anderen Bücher.

Was immer das heißen mag.

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