Freitag, 1. August 2014

Der Blogenhagen Cop 2.0


Jetzt bin ich also wieder in Kopenhagen, und diesmal nicht als Gast, sondern, ganz ernsthaft und erwachsen, als Professor. Zumindest am Anfang wird das sicher ein mindestens genauso großes Abenteuer wir letztes Jahr.

Bevor wir richtig loslegen können, muss ich etwas klarstellen: Nein, es war keine ausgemachte Sache, dass ich hierher zurückkehren würde. Ich weiß, dass mehr als einer von Euch das gedacht hat – allein schon, weil Ihr mir es ins Gesicht gesagt habt –, aber für mich war das alles andere als eine ausgemachte Sache. Ob ich es wirklich gewollt habe? Da müssen wir über die Definition von „wirklich“ und „wollen“ reden. Ob ich mich darauf gefreut habe? Wie auf einen Zahnarztbesuch. Ob es mich ehrt und stolz macht, dass mich ein paar der klügsten Köpfe in ihrem Fach mich zurück in ihr Team geholt haben? Aber hallo!

„Zurückgeholt“ klingt nach mehr Vetternwirtschaft, als da im Spiel gewesen sein dürfte. Es gab ein langes und ausführliches Besetzungsverfahren, mit einem international zusammengesetzten Gutachterteam und einem zweitägigen Termin fürs Vorstellungsgespräch. Wie groß (und gut) die Konkurrenz war, erfahre ich wohl nur, wenn ich meinen Chef betrunken mache – was nicht allzu schwer sein dürfte, schließlich sind wir in Dänemark. Stolz bin ich seit dem Morgen, an dem ich zum Vorstellungsgespräch aufgelaufen bin. Nicht nur haben mich die alten Kollegen extrem herzlich begrüßt; gleich mehrere meinten, sie könnten sich niemand besseren für die Stelle vorstellen und hätten mich auch menschlich gern zurück. Sowas hört man nicht allzu oft im Leben – jedenfalls ich nicht.

Die Herzlichkeit, die mich in Kopenhagen erwartet hat, ist nur von der übertroffen worden, die mich zu Hause verabschiedet hat. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Natürlich ist es schmeichelhaft zu hören, dass man Freunden, Kollegen und Studenten fehlen wird, aber es tut auch weh. Es ist wahrscheinlich natürlich und unvermeidlich, dass man beim Abschiednehmen klarer als je sonst erkennt, was einen mit Menschen verbindet. Das heißt aber nicht, dass das nicht trotzdem gemein ist. Kurz: ich vermisse Euch wundervollen Menschen zu Haus.

Mein Gejammer bedeutet selbstverständlich, dass bis jetzt alles gut gelaufen ist und ich einfach nur einen anstrengenden und manchmal frustrierenden ersten Tag hatte. Etwa, als der Kollege, der mich hätte unterstützen sollen, nicht aufgetaucht ist, weil er an einer Mauer in seinem Garten weiterarbeiten wollte. Und als ich fast völlig unverrichteter Dinge hätte abziehen müssen, nur weil der Kartendrucker für die Mitarbeiterausweise in Reparatur ist. Oder später am Nachmittag, als ich versucht habe, das örtliche IKEA zu finden, obwohl die Verkehrsführung der S-Bahnen geändert ist und ich, auch eine nicht zu vernachlässigende Kleinigkeit, vergessen habe, mir eine genaue Wegbeschreibung herauszusuchen. Das hat mir einen langen Spaziergang, wenn auch in die komplett falsche Richtung (und zurück), verschafft. Ach ja, und mein Schreibtisch wird erst am 15. frei, das hat unsere Abteilungsleiterin irgendwie übersehen – oder sie wusste noch vor mir, dass ich erst am 13. hier nach der großen Konferenz in den USA wieder auf der Matte stehe.

Auf der Habenseite steht, dass die Kollegen hier auch noch freundlich sind, jetzt wo ich tatsächlich die Stelle angetreten habe, dass ein wirklich netter und extrem guter Kollege voraussichtlich bald unser Team verstärkt, mit dem ich schon lange zusammenarbeiten wollte, und dass ich tatsächlich eine Wohnung habe. Mein unerschöpflicher Optimismus hat auch nach der Nachricht, dass Schlüssel für mich deponiert worden sind, noch gemutmaßt, dass ich das Opfer einer Bande von Immobilienbetrügern geworden sein könnte, die sich auf fremdländische Akademiker und ihre exzentrischen Wünsche spezialisiert haben. Der Schlüssel passt, ich habe ein Bett und ein Sofa und eine Küche mit Kühlschrank und Herd. Der Ausblick auf den Hafen aus dem vierten Stock ist beeindruckend, und S-Bahn und Aldi sind direkt vor der Tür. Es scheint also, kurz gesagt, als hätte ich diesmal etwas mehr Glück, was die Wohnung angeht.

Und wenn ich morgen noch ein paar letzte Besorgungen gemacht habe, darf ich mich ins Flugzeug in die USA setzen und zum ersten Mal zu einer Konferenz fahren, ohne auch nur einen ansatzweise fertigen Vortrag zu haben. Schöne neue Welt.

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