Donnerstag, 26. September 2013

Die letzte Geschichte vor der Autobahn

Der fast fertig gepackte Koffer in meinem kopenhagener Zimmer lässt keinen Zweifel zu, auch wenn ich es kaum glauben kann: die acht Monate sind um, und morgen geht es nach Hause!

Ich will jetzt gar nicht versuchen, ein Resümee zu ziehen - nicht nur, weil es dafür sicher noch zu früh wäre. Einer der schönen Nebeneffekte dieses langen halben Jahrs ist, dass die Welt für mich ein Stück kleiner geworden ist, und ich ziemlich sicher bin, dass ich hier früher oder später wieder vorbeikommen werde und mich nicht für immer von den netten Kollegen an der ITU verabschieden muss. Das macht den Abschied sehr viel leichter, denn obwohl ich mich wahnsinnig auf zu Hause freue, werden mir die Leute hier doch fehlen.

Die letzten Tage waren schon ein dauerndes Abschied nehmen von denjenigen, die gegen Ende der Woche nicht mehr da sein werden. So werde ich zum Beispiel nie miterleben, wie die Kinder der Schwäne vor unserem Gebäude flügge werden. Oder, sehr viel weniger ironisch, werde nicht da sein, wenn unsere Doktoranden ihre Dissertationen verteidigen, über die wir so viel geredet haben in den letzten Monaten. Natürlich sind Abschiede auch immer interessant, weil Menschen sich dann oft von einer anderen Seite zeigen, persönlicher und verbindlicher sind als vorher - schließlich muss man nicht mehr fürchten, dass einem der andere ständig auf die Nerven geht und jetzt einen besten Freund gefunden zu haben glaubt. Mein überaus geschätzter Kollege Miguel hat mir vorgestern zum Abschied ein Exemplar seines neuen Buchs in die Hand gedrückt, was ich ohnehin schon wahnsinnig nett fand. Als dann all meine anderen Kollegen total neidisch waren und erklärt haben, dass er so etwas sonst nie tut, habe ich mich natürlich noch sehr viel mehr über das Abschiedsgeschenk gefreut.

Trotzdem fühlt es sich nicht an, als würde ich jetzt weggehen, und erst recht nicht, als müsste ich das tun. Es gibt hier noch so viel zu sehen und zu entdecken, und die Stadt zeigt sich weiterhin von ihrer allerbesten Seite. Es wird zwar kälter in den letzten Tagen, aber noch ist es fast durchgehend sonnig, und wir haben eigentlich jeden Tag spektakuläre Sonnenuntergänge, die man sich eigentlich stundenlang anschauen könnte. Und je mehr ich mit Kollegen in der Stadt unterwegs war, umso mehr ist mir auch bewusst geworden, wie wenig ich eigentlich von Kopenhagen gesehen habe. Es gibt also gute Gründe, hierher zurückzukommen.

Eines muss allerdings gesagt werden: im Moment ist der beste Zeitpunkt, um hier abzuhauen, denn die Leute auf meinem Flur werden ein bisschen komisch. Unsere Kaffeemaschine ist nämlich krank. Vor einer Woche hat sie der Service-Mann abgeholt, und seitdem ist diese klaffende Lücke in unserer Kaffeeküche, wo vorher die sprudelnde Quelle von Espresso und Kaffee war. Wir behelfen uns mit Nescafé, aber das verändert die Menschen. Vor allem die Dänen sind von diesem plötzlichen Mangel an materiell spürbarer Wertschätzung durch den Arbeitgeber vor den Kopf gestoßen und verlieren langsam aber sicher die Nerven. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bevor hier ein Unglück geschieht ...

In jedem Fall weiß ich, wer dafür verantwortlich sein wird, wenn man diesen Laden eines Tages ausraubt. (Kleiner Tipp: ich bin es nicht). Wer diesen Kollegen eingestellt hat, glaubt auf jeden Fall nicht an die Aussagekraft von Namen. Wie ich die Dänen kenne, hat man ihm wahrscheinlich auch noch Mittel für seine vierzig Mitarbeiter, die in einer sozialen Wohnungsbau-Höhle am Rande der Stadt wohnen, zur Verfügung gestellt. Ist es nicht wundervoll, erst nach acht Monaten zu sehen, dass man mit Ali Baba zusammengearbeitet hat?




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