Samstag, 16. August 2014

Am Rand der Welt, oder Leben ohne Internet im Haus

Bis vor zwei Wochen habe ich mir manchmal noch eingebildet, ich wäre altmodisch. Ich drücke mich um Facebook herum, finde Twitter albern und selbstverliebt, und kann mit Inbrunst den Kopf über Essensfotografierer schütteln. Gut, ich blogge, aber auch nur, weil ich zu faul bin, um ständig die gleichen Fragen in E-Mails zu beantworten. Ja, das ist der wahre Grund. Mit Spaß hat das nichts zu tun. Echt nicht.

Die Illusion, ich wäre nicht völlig vom Internet abhängig, ist mir in dem Moment abhandengekommen, als bei uns zu Hause das Internet ausgefallen ist, drei Tage, bevor ich nach Kopenhagen aufbrechen musste. Wir haben uns das Weltungergangsgewitter anfangs noch amüsiert angeschaut, dann unsere elektrischen Geräte ausgemacht, sie dann abgestöpselt, und schließlich angesichts eines unterarmlangen blauen Blitzchens, das aus unserem Kabelmodem ins Wohnzimmer geleckt hat, begriffen, dass ein Unwetter eine Menge Wege hat, in ein Haus zu kommen, wenn es das nur genug will. Nach einer halben Stunde Tests war klar, was an dem Modem kaputt war.

Ich habe dann beim Telefonservice des Kabelbetreibers angerufen und mir zunächst einmal versichern lassen, dass in unserer ganzen Region der Kabelservice ausgefallen wäre. Abends habe ich sogar eine SMS bekommen, die mir die Lösung des Problems versprochen hat. Am nächsten Morgen ging natürlich noch immer nichts, also habe ich wieder mit den Heinern vom Kundendienst telefoniert. Der neue, minimal kompetentere Mitarbeiter hat mich eine Viertelstunde noch einmal alle Tests machen lassen, die das Modem und ich schon einen Tag vorher hinter uns gebracht hatten, nur um dann meiner Diagnose zuzustimmen und mich an den "echten" Hardwaresupport weiterzuverweisen. So sehr ich verstehe, dass man die Spezialisten vor Kunden schützen will, die den Netzstecker für optionales Sonderzubehör halten, war ich dann schon sehr genervt, als es bis zum Rückruf der Hardware-Abteilung Abend wurde und dieser Kollege nach meiner eigenen Diagnose in drei Sätzen - den gleichen drei Sätzen, die ich den Pfeifen bei meinen ersten beiden Telefonaten vorgebetet hatte - mir ohne Zögern recht gab. Natürlich hat es dann mit dem Versand eines Ersatzgerätes gedauert, bis ich schon abgereist war, so dass meine arme Frau sich allein um die entnervende Prozedur des Neuanschlusses kümmern musste.

Lebensnotwendiges Internet (Mads Frost)
Die Ironie der Geschichte ist natürlich - aufmerksame Leser werden es schon vermuten -, dass ich erst in den USA zu neunzig Prozent grottenschlechtes Internet hatte und in meiner neuen Wohnung völlig auf dem Trockenen sitze. Meine Vermieterin hatte vorgeschlagen, dass wir uns ihr W-LAN und damit ihren Internetanschluss teilen, aber erstens ist sie erst heute Nacht sehr spät nach Kopenhagen zurückgekommen und ist mir immernoch das Router-Passwort schuldig, und zweitens sind sämtliche in der Wohnung verfügbaren Netzwerke so stark und stabil wie die in einem durchschnittlichen amerikanischen Motel.

Zum Glück habe ich mir von meinen Kollegen Tipps abholen können, was es für Alternativen gibt, und so die hiesige Verwaltung will, kriege ich im Laufe der nächsten Woche mein eigenes LTE-Modem mit einer schönen Daten-Flatrate. Wann ich online komme, hängt vom Einwohnermeldeamt ab. Beim Abschluss eines Mobilfunkvertrags in Dänemark greift der freundliche Händler über die Sozialversicherungsnummer des Kunden direkt auf dessen Eintrag im Melderegister zu. Natürlich ärgert es mich auf der einen Seite, dass meine Meldung hier noch nicht fertig bearbeitet ist. Gleichzeitig fühle ich mich aber ein ganz klein wenig überwacht. (Verglichen zur Aufregung beim letzten Jahr war der Gang zur Meldestelle dieses Mal wenig überraschend. Im schön renovierten Gebäude sitzen jetzt weniger Mitarbeiter, die Schlangen und Wartezeiten sind entsprechend lang, aber wer will sich schon beschweren. Vor allem, wenn die freundliche Sachbearbeiterin sich nicht nur einen Tadel verkneift, wenn man vergessen hat, sich beim Weggang aus Dänemark abzumelden (hüstel), sondern sich sogar noch für die Unannehmlichkeiten entschuldigt ...)

Zum Glück, wenn man das so sagen kann, gibt es mehr als genug in der neuen Wohnung zu tun, was mich die Zwangsabnabelung von der Zivilisation zumindest zeitweise vergessen lässt. Bei meinem letzten Aufenthalt in Kopenhagen habe ich mich ja ausführlich über die eigenwilligen Hygienevorstellungen meines Mitbewohners ausgelassen, aber mittlerweile habe ich sowohl Indizien als auch Zeugenaussagen, die dafür sprechen, dass es sich dabei um eine weitere liebenswerte nationale Eigenheit meiner Gastgeber handelt. Mein Vormieter war jedenfalls so freundlich, mir in der Küche großzügige Proben seiner liebsten Pastasoße zu hinterlassen, die Böden mit ansprechenden Dreck-Mustern zu dekorieren und im Bad einen natürlichen Patinierungsprozess seinen Lauf nehmen zu lassen, der sicher auch sonstwo viele Fürsprecher finden wird. Ich bin also in den letzten Tagen zum Waschbär mutiert. Nach mindestens zehn Stunden im Büro - wo ich Internet habe - bin ich durch Kopenhagens Supermärkte gezogen, um mir Spezialwerkzeug wie Gummihandschuhe, Spülschwämme, Lappen und Reiniger zu besorgen. Gestern Abend habe ich zwei Stunden die Küche gewienert - das Kronjuwel, der Herd, fehlt mir trotzdem noch -, und heute Vormittag habe ich tatsächlich einen innerstädtischen Baumarkt gefunden, in dem es Schrubber, Besen und Wischmopps gibt.

Singen werde ich, wenn ich heute Abend den Mopp schwinge. Singen!

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