Mittwoch, 3. April 2013

Salzige Rosinen

Nach zwei Monaten in Dänemark hätte ich eigentlich nicht gedacht, dass mich noch viel überraschen kann. Dass die Preise hier gesalzen sind, merkt man nach fünf Minuten im Land. Auch Erdnüsse sind hier salziger als bei uns – wahrscheinlich wegen der Seefahrertradition und dem ganzen Pökelfleisch zum Frühstück. Mein erstes dänisches Studentenfutter war heute aber doch eine ungewöhnliche kulinarische Erfahrung. Gesalzene Rosinen und Cranberries sind durchaus lecker, wenn auch gewöhnungsbedürftig. Zur Verteidigung meines Gastlandes muss ich auch einräumen, dass mich die Packungsbeschriftung hätte misstrauisch machen sollen ...

Dass ich fast zwei Wochen Pause vom Bloggen gemacht habe, ist kein Zeichen völliger Verausgabung nach der umfangreichen Comic-Diskussion. Na ja, vielleicht ein bisschen. Das Schreiben hier macht mir viel Spaß, denn ich weiß, dass ich gelesen werde, und zwar ganz entspannt und ohne Zwang, Hintergedanken oder anderen Druck. Deshalb muss ich auch aufpassen, dass ich mich nicht hierauf versteige und andere Schreibaufgaben schleifen lasse. Ich weiß, dass es andere Leute schaffen, zum Ausgleich nach einem ganzen Tag Lesen und Schreiben noch zu bloggen, aber mir fällt das schwer. Von einer Textsorte (und Sprache) in die andere umzuschalten, ist aus ganz unterschiedlichen Gründen oft schwierig. Trockene Berichte und kritische Sachtexte auf Englisch zu schreiben fällt mir zwar nicht an sich schwer, aber im Vergleich zum plaudernden Bloggen in der Muttersprache ist es schon anstrengend. Aber selbst wenn ich auf Deutsch wissenschaftlich oder im Englischen eher informell schreibe, kostet das Umdenken danach Anstrengung. Es gibt einfach eine Sprachbarriere, auch wenn sie nur darin besteht, dass ich hier nicht wirklich auf meine englischen Blogposts über Computerspiele verweisen brauche.

Die letzten zwei Wochen waren sehr arbeitsam, auch wenn ich eine davon zu Hause verbracht und ein bisschen saarbrücker Luft geatmet habe. Die ITU hat mich allerdings gebührend verabschiedet: An meinem letzten Tag in Kopenhagen hatten wir mit unserem Seminar wieder eine vierstündige Spielsitzung, und nach Wochen voller technischer und logistischer Probleme hat einmal alles geklappt. Mit acht Leuten als Gruppe DayZ zu spielen ist nichts besonderes, aber es in einer gemischten Gruppe aus Dozenten, Doktoranden und Studenten in einem Raum auf einem offenen Server zusammen mit fremden zu tun, ist schon etwas besonderes. Und dass sich dann noch sechs von uns in kürzester Zeit in der Spielwelt getroffen haben und in drei Stunden den gesamten Zyklus von Gruppenbildung, -identität und -zerfall durchlaufen haben, war einfach denkwürdig. Und die spontane Anarchie am Ende war unbeschreiblich. Die Leuchtfackel-am-Skelett-Installation war nur der Gipfel der Aktionskunst, die wir da selbst veranstaltet haben.

Es ist vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit oder poetische Ironie gewesen, dass jemand, der sein Geld derzeit mit allen Arten simulierter Todessehnsucht vollbringt, ein nervenaufreibendes Flugzeugerlebnis haben muss. Sagen wir es mal so: Ich werde mich nie mehr über die "Birdcontrol"-Brigade am Flughafen Kopenhagen lustig machen. In Saarbrücken könnten die jedenfalls auch so etwas gebrauchen. Das hätte einer Gans das Leben gerettet und mir eine Menge neuer grauer Haare erspart. Aber eine technische Zwischenlandung auf dem Frankfurter Flughafen ist ja auch mal ein Erlebnis. Und für den Fall, dass eine zuständige Stelle das hier liest: Wenn ich schon in einem brennenden Wrack zur Erde stürzen muss, wüsste ich es zu schätzen, wenn ich nicht von sturzbesoffenen Luxemburgern auf dem Weg in den Berlin-Kurzurlaub umgeben wäre. Das habe ich jetzt wirklich nicht verdient!

Da aber alles (außer für den Vogel) gut und sicher abgelaufen ist, kann ich morgen meinen Kollegen hier tatsächlich auch mal fachlich was erzählen. Ich schäme mich zwar langsam ein bisschen, zum vierten Mal eine Variante meines Comics-und-Computerspiele-Vortrags zu halten, aber das Thema kommt immer gut an. Und ich entwickle es ja auch ständig weiter. Wenn ich jetzt noch lerne, wie ich einen Vortrag schreibe, der nachher nicht 90 Powerpoint-Folien lang ist, bin ich ein Großer. Glaube ich, jedenfalls. Trainieren muss ich das auf jeden Fall, denn gestern habe ich die Benachrichtigung bekommen, dass einer meiner Vorträge bei der DiGRA, der größten Fachkonferenz für Computerspiele, angenommen worden ist. Und weil die so viele Bewerbungen hatten, gibt es dieses Mal zehn Minuten Sprechzeit pro Person. In meinem üblichen Tempo bin ich dann noch nicht einmal mit dem Titel fertig ;-)

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