Donnerstag, 14. März 2013

Zwischen Kopenhagen und Gotham, Teil 1

Wahrscheinlich sollte ich das nicht so offen zugeben, aber ich kann ja nicht anders, als meine Leserwünsche zu erfüllen. Bürosituation? Beziehungsratgeber? Nichts leichter als da. Wenn sich aber der beste aller Nachbarn eine Top Ten meiner liebsten Superheldencomics wünscht, wird mir einen Moment lang schwarz vor Augen. Ranglisten? Lieblingsirgendwas? Schockschwerenot! Ich will jetzt nicht philosophisch werden, aber wenn ich zehn Exemplare irgendeiner Gattung auswählen soll, deren Qualität sie von ihresgleichen abhebt, impliziert das ein Stück weit Unvergleichlichkeit. Also spätestens, wenn ich nicht nur meine Lieblinge benennen, sondern sie auch noch in eine Reihenfolge bringen soll, kommt mein analytisches Denken ins Schwimmen.

Natürlich sorgen derartige Überlegungen nicht dafür, dass ich die Sache aufgebe und vergesse. Ganz im Gegenteil: seit einer Woche habe ich immer wieder über Chris' Frage nachgedacht und versucht, meinen eigenen Widerwillen gegen Ranglisten zu ergründen und zu überlisten. Die wichtigste Erkenntnis war, dass es nur um Subjektivität und Geschmack geht, dass ich also aus dem Bauch raus antworten kann. Wenn man fast die Hälfte seines Lebens damit verbracht hat, sich selbst und seinen Studenten genau das auszutreiben, ist es nicht ganz so leicht, das zuzulassen, aber ich habe es immerhin versucht.

Meine Top Ten der Superheldencomics gibt es deshalb dann auch, wie sich das gehört, in aufsteigender Reihenfolge und auf mehrere Posts verteilt. Was wahrscheinlich selbst Nicht-Kennern auffallen wird und deshalb vorweg angesprochen gehört: Es ist kein einziger "klassischer" Comic darunter, nichts aus Golden, Silver oder auch nur Bronze Age. Das heißt natürlich nicht, dass ich meine Klassiker nicht gelesen hätte oder sie nicht schätzen würde. In meinem Denken über Superheldenstoffe haben sie aber eben den Status von Mythen. Sie bilden die Grundlage für alles, was danach kommt, aber es liegt in ihrer Natur, dass sie immer wieder erzählt worden sind und dass nicht unbedingt die erste Fassung die prägende ist. Der Mord an Thomas und Martha Wayne, der Tod Gwen Stacy's, die Ankunft Supermans auf der Erde – all das ist dutzende Male erzählt worden, und die Überschneidungen und Widersprüche zwischen den verschiedenen Versionen sind es, die diesen Figuren und ihren Geschichten den überlebensgroßen Status verleihen. Sicher gibt es Ausnahmen, aber wenn ich etwa die Knightfall-Saga in die Liste aufnehmen würde, müsste ich, der Gründlichkeit halber, Action Comics # 1, Detective Comics #1, Showcase #4, Fantastic Four #1 usw. in die Liste aufnehmen, denn dann würde ich von der historischen Wichtigkeit der einzelnen Geschichten sprechen und davon, wie sie das Genre definiert oder verändert haben.

Meine liebsten Superheldencomics sind vielmehr diejenigen, die diesen mythologischen Rahmen als gegeben annehmen und sich von ihm abheben, den Status Quo eines Superheldenuniversums nicht als unveränderlich begreifen und nicht nach welterschütternden Ereignissen zu einem (vorgeblich) idealen Urzustand zurückkehren. Reine Parodien habe ich aber keine aufgenommen, weil mich da wieder mein Fachidiotentum zu sehr darüber nachgrübeln lässt, ob ein Fall wie Garth Ennis' und Amanda Conners großartiger One-Shot The Pro (Image, 2002) nun zu den Superhelden-Texten oder zu den Parodien, Pastiches oder Satiren gehört (und ob sich das wechselseitig ausschließt). Trotzdem ergibt die Auswahl ein ziemlich deutliches Bild und zentriert sich recht deutlich um ein paar Autoren, die ich (ganz unabhängig vom Genre) für sehr fähige Schriftsteller halte, und Zeichner, deren Stil ich zutiefst schätze.

Das alles nur zur Einleitung – willkommen bei Akademikers! Morgen gibt es dann Teil eins der Liste. Als Appetizer vorweg nur noch ein paar Texte, die es nicht in die Top Ten geschafft haben, obwohl ich sie sehr schätze und jederzeit empfehlen würde: Grant Morrison/Dave McKean: Arkham Asylum: A Serious House on Serious Earth (DC, 1989), Neil Gaiman/Andy Kubert/Richard Isanove: Marvel 1602 (Marvel, 2003), Mark Millar/Dave Johnson: Red Son (DC, 2003), Mark Millar/J. G. Jones: Wanted (Top Cow, 2003-2005) ... Und dann ist da noch die lange Liste mit Titeln von Morrison, Cooke, Bendis und Ellis, die ich selbst noch nur im Auge und nicht in der Hand habe.

So viel gute Bücher und nur so wenig Zeit!

2 Kommentare:

  1. Hätte ich geahnt das eine TopTen Liste dir solche Schmerzen bereiten könnte hätte ich vermutlich nicht gefragt. Sorry dafür. Vielen Dank für den großen Einblick in dein Comicregal.

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  2. Schmerzen? Waren wohl Wehen ... Es ist schon schön, wenn es dann erst einmal da ist ;-)

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