Mittwoch, 10. September 2014

Königlich unterwegs


Wenn man nicht weiß, wo man anfangen soll, ist das meistens ein gutes Zeichen, dass man etwas zu erzählen hätte. Bevor ich endlich meine (mittlerweile ganz schicke) Wohnung herzeigen kann, von meinen neuen Studis erzähle und mich über das Professorendasein auslasse, muss ich erst noch die große USA-Tour nachliefern, schätze ich. Für die Größenordnung unserer Rundreise durch das trockene Herz des Wilden Westens haben wir beunruhigend wenig im Voraus geplant. Eine der wenigen Entscheidungen, die sich nicht aufschieben ließ, war die unseres Fluchtfahrzeugs. Da recht schnell feststand, dass unser Weg uns durch Las Vegas führen würde, habe ich lange Zeit zwischen CSI und Hangover geschwankt, mich letztlich dann aber für die "Luxuskategorie"-Limousine entschieden. Luxus war dann letztlich nur der Name des Gefährts: Buick Regal heißt übersetzt "der königliche." Versteh mich niemand falsch, dieser leicht amerikanisierte Opel Insignia ist ein nettes Auto, aber wenn man mit einem Einsneunzig-Norweger reist, wünscht man sich recht schnell mehr Kopffreiheit für ihn - und sei es nur, damit er zu jammern aufhört.

Rückblickend - oder auch nur mit Blick auf die Karte - haben wir wohl ein bisschen großzügig kalkuliert. Insgesamt haben wir an sechs Tagen fast 2500 Kilometer gefahren, und auch die nicht gleichmäßig verteilt, so dass wir am Schluss kaum noch aus dem Auto herausgekommen sind. So wirklich schlimm war das aber eigentlich nicht, weil die Landschaft, vor allem im südlichen Utah, so wahnsinnig spannend ist. Kaum dass man aus Salt Lake City raus ist - eine Stadt, deren Umgehungsstraße bis auf die etwas niedrigere Einfassungsmauer erschreckend der aus dem zweiten Matrix-Film ähnelt - wird es grün um einen herum. Spätestens hinter der Universitätsstadt Provo wird es ländlich, und selbst wenn man auf dem Highway bleibt, hat man einiges zu sehen.

Wir sind relativ schnell vom Highwayauf den 'Scenic Byway 12' gewechselt, eine der angeblich schönsten Landstraßen der USA, was sich wirklich gelohnt hat. Nicht nur hat uns dieser Weg über Torrey und seine roten Felsen geführt, die fast wirken, wie ich mir das Australische Outback vorstelle. Auch bekommt man so eine bessere Vorstellung davon, wie dünn das Land besiedelt ist, wie sehr die Leute dort tatsächlich ihre Pick-Ups und Pferde brauchen, wie wichtig wahrscheinlich auch heute noch die Quelle auf dem eigenen Grundstück ist. Ohne Bewässerung ist dort wahrscheinlich Essig mit Landwirtschaft, was einem bei zügiger Fahrt jederzeit klar ist, weil sich karge, fast wüste Landschaft mit ausgedehnten Wäldern und Seen abwechselt. Sicher gibt es auch sonstwo viele schöne Ecken in nächster Nähe, aber ich bezweifle ernsthaft, dass man an vielen Orten innerhalb einer halben Stunde Autofahrt von einer Mondlandschaft in ein idyllisches Gebirgstal und zurück kommt.



Wie das auf so einer Reise ist, haben wir anfangs noch viel geredet, aber an den letzten zwei Tagen musste dann niemand mehr Konversation machen. Wir konnten dann tatsächlich auch entspannt schweigen. Manchmal war mir aber auch sehr nach Gespräch, um die eigentlich bitter notwendige Musik ausblenden zu können. Es ist erstaunlich, wie schwierig es selbst mit zwei Telefonen und einem iPod voll Musik sein kann, eine Schnittmenge zu finden. Bei einer Altersspanne zwischen Doktorand, jungem Professor und älterem Professor von etwa zwanzig Jahren sind wir anfänglich ans konservative Ende des Spektrums tendiert, bis ich nach einem Tag Bruce Springsteen, Bob Dylan und Dusty Springfield ernsthaft über die unaussprechliche Alternative nachgedacht habe: Mittelwelle-Country-Radiosender. Meine gelegentlichen ungewollten Vollbremsungen mit der ungewohnten Automatik-Pedalerie - man kuppelt schließlich aus, wenn man an eine Kreuzung kommt, auch wenn das in diesem Fall heißt, dass man mit links die Bremse voll durchtritt - waren also wahrscheinlich nur ein spontaner Abwehrmechanismus. Ein musikalischer Reflextest, sozusagen.


Auch wenn nur zwei von uns dreien einen Führerschein haben, konnten wir uns wenigstens ein bisschen mit dem Fahren abwechseln. So gut die Straßen in diesem Teil der USA auch sind, machen einen die richtig langen Abschnitte natürlich mürbe. Das eigentlich schlimme ist aber, diese phantastische Landschaft vorbeiziehen zu sehen und nicht fotografieren, ja noch nicht einmal ausgiebig gucken zu können. Gottlob sind wir nicht immer nur gefahren, sondern haben regelmäßig angehalten und Canyons begutachtet. Dazu beim nächsten Mal mehr ...


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