Samstag, 27. September 2014

Herr Bst kommt

Man kann es mir nicht recht machen, daran gibt es keinen Zweifel.

Letzte Woche war ich unterwegs, unter anderem im sonnigen, beinahe penetrant spätsommerlichen München, und bis dahin hatten wir auch in Kopenhagen noch Sommer. Dänischen Sommer, versteht sich, mit vielen kurzen Schauern und viel kräftigem Wind. Das ist ein wortwörtlich schönes Wetter, denn es sieht sehr viel besser aus als es eigentlich ist. In der Sonne nassgeschwitzt und im Schatten trockengeföhnt ist nur theoretisch ein gutes Konzept, wenn überhaupt. Über das Wetter habe ich mich oft genug im Stillen aufgeregt. Jetzt haben wir weiterhin kurze Schauer und viel Wind, nur eben bei zehn Grad weniger. Und mit mehr Regen. Und mehr Sturm. Herbst eben. Ist auch nicht unbedingt das Gelbe vom Ei.
 
Das erstaunliche ist die Anpassungsfähigkeit der Dänen in dieser Jahreszeit. Wegen der ohnehin immer moderaten Temperaturen im Sommer benehmen sich die Leute lange so, als wäre es Hochsommer, egal was das Wetter treibt. Hotpants bei 18 Grad sind gar kein Problem, auch ohne Strumpfhose. An Tagen, wenn sich das tatsächliche Wetter doch zu radikal vom gedachten oder gewünschten Zustand unterscheidet, weil sich z.B. die Temperatur nicht mehr ignorieren lässt, kippt das öffentliche Leben ein Stück weit um. Während es in der warmen Jahreszeit niemanden drinnen hält und man zu jeder Tages- und Nachtzeit Menschen auf Plätzen und Straßen sitzen sieht, gehen die Einheimischen an solchen Tagen schon auf Wintermodus und huschen von Büro zu U-Bahn nach Hause. Das bedeutet auch schlagartig weniger Radfahrer, was sich wiederum auf das Straßenbild niederschlägt, denn ohne Fahrräder sieht sich Kopenhagen gar nicht ähnlich.

Und dann fängt der Tag sonnig an, und die Menschen sind wieder auf den Straßen und Plätzen. Wochenmarkt, Joggen, Spaziergang - alles, was letzte Woche normal war, wird plötzlich richtig zelebriert. Aufgebrezelt ist man hier ja immer, besonders wochenends, aber an einem unerwartet warmen Samstag legt man gern noch ein Schippchen nach. Wer weiß, ob man nächstes Jahr noch Minirock trägt, oder pastellfarbene Shorts, oder nietenbesetzte Riemchensandaletten. So kriegt jeder potentielle Hinterbänkler im Kleiderschrank nochmal den wohlverdienten Auslauf. 

Eine weitere schöne Sommertradition ist, Fahrräder mit Innbrunst direkt vor der Ladentür abzustellen, und auch die muss heute noch einmal ausgiebig ausgelebt werden. Wobei man den Kopenhagenern sonst wirklich keine Rücksichtslosigkeit vorhalten darf, jedenfalls nicht auf ihren Fahrrädern. Im Supermarkt wird schon mal gern gerempelt, wenn irgendwer blöd im Weg rumsteht, aber auf den Straßen ist man vorsichtig. Das ist nicht nur Selbstschutz, sondern auch eine Notwendigkeit, die sich daraus ergibt, dass man hier gerne, früh und häufig Kinder kriegt, die dann einzeln oder in Scharen über Bürgersteige und Radwege wuseln. Diese unberechenbaren kleinen Menschen sind, denke ich, das Element, das auch den kaltblütigsten Radfahrer ein bisschen langsamer fahren lässt, als man es sonst vielleicht tun würde. Und jetzt, wo die witterungsbedingt in bunten Mäntelchen stecken, sind die Radfahrer gleich noch ein bisschen vorsichtiger (die auf den makellos von Laub und Kastanien befreiten Radwegen sonst keine natürlichen Feinde zu fürchten brauchen). 

Und das finde ich uneingeschränkt begrüßenswert.

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