Mittwoch, 7. August 2013

Blick zurück im Schweiß

Auch wenn ich schon über eine Woche aus Paris zurück bin, habe ich die Zeit dort noch nicht wirklich aufgearbeitet. Physisch, meine ich. Da die Pariser ihre Stadt ja pünktlich zum Generalferienbeginn verlassen wie die Tauben den Schlag, ist man dort in keinster Weise auf dem Umgang mit Hitze eingestellt. Pariser vier-Sterne-Hotels haben nicht unbedingt eine Klimaanlage – warum auch? Unis schon gar nicht. Dementsprechend sind wahrscheinlich sämtliche Kongressteilnehmer noch immer damit beschäftigt, ihren Wasserhaushalt nach einer Woche in der Sauna der Sorbonne zu regulieren. Alle Einheimischen haben uns versichert, dass das Wetter völlig untypisch wäre, eine Hitzewelle, wie man sie seit Jahren nicht gehabt hätte, aber solange wir mit dem Kongress in Paris waren, hatten wir über 35 Grad. So ein Hundstage-Erlebnis ist nichts, was man seinem schlimmsten Feind wünscht, aber es hat auch sein Gutes: Wenn meine Kopenhagener Kollegen gerade wieder über die unerträglich heißen 25 Grad bei kühler Brise jammern, kann ich still und weise vor mich hin lächeln.

Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mich aber nach ein paar Tagen an die trockene Hitze gewöhnt. In der Sonne war es so wenig auszuhalten wie im Nahen Osten, und in den schwitzigen, fensterlosen Seminarräumen wurde es schnell so lauschig wie in Korea zur Regenzeit, doch es gab genügend schattige und trockene Eckchen, um zwischendrin etwas abzukühlen. Wenn man sich an einen ruhigeren Rhythmus gewöhnt und mindestens drei Liter trinkt, geht das dann auch. Und immerhin hatte ich, so ziemlich als einziger, ein Hotel mit Klimaanlage. Dadurch – und weil die übriggebliebenen Pariser größtenteils entspannter und freundlicher waren als die, die ich sonst im Frühjahr oder Herbst dort angetroffen habe – hat mir Paris im Hochsommer erstaunlich gut gefallen. Was aber auch an der Ecke lag, in der wir untergekommen sind: das 17. Arrondissement, direkt nördlich von Arc de Tripomphe und Champs Elysées, ist wahrscheinlich die normalste und netteste Ecke der Stadt, in der ich bis jetzt war. 
 Meine Befürchtungen bezüglich des Kongresses waren auch völlig unbegründet. Gut, die wissenschaftliche Qualität war sehr durchwachsen, aber das ist bei einer Veranstaltung dieser Größenordnung wohl unvermeidlich (auch wenn ich da ein paar Ideen hätte ...). Von den etwa 1200 erwarteten Vortragenden ist wohl etwa ein Drittel nicht gekommen, was mehr Schwund war, als irgendwer erwartet hätte, doch wirklich traurig war keiner darüber, weil das Programm eigentlich viel zu voll war und wir auf diese Weise wenigstens manchmal Zeit für Diskussionen hatten. Das Problem war nur, dass sich die Ausfälle völlig unregelmäßig verteilt haben. Während manche Leutchen neunzig Minuten (und einen großen Hörsaal) für sich allein hatten, sind andere in kleinen Räumen zu fünft gewesen. Dazu könnte ich ein paar Geschichten erzählen ... aber nicht schriftlich, denn dafür war es dann doch oft zu extrem.    

Letztlich hat mich der Aufenthalt in Paris in zweifacher Hinsicht positiv überrascht: Zum einen haben wir Privates und Dienstliches gut unter einen Hut bekommen. Vor fünf Jahren haben wir schon einmal versucht, eine Tagung und einen Urlaub miteinander zu verschränken, und das hat damals nur bedingt funktioniert. Diesmal ließ sich das besser koordinieren, und wir haben z.B. einen richtig tollen Tag im Louvre verbracht. Zum anderen bin ich mittlerweile in unserem Fachverband ausgesprochen integriert. Noch letztes Jahr hatte ich das Gefühl, einer von den Kleinen zu sein, nicht wirklich dazu zu gehören, und schon am ersten Konferenztag ist mir der Eindruck ausgetrieben worden. Der erste Tag solcher Großkongresse ist normalerweise so organisiert, dass man sich vormittags anmeldet und dann im Laufe des Nachmittags die Veranstaltung eröffnet wird. Deshalb war ich schon um zehn vor Ort, weil ich bis zur Eröffnungsveranstaltung um drei noch ein bisschen in die Stadt wollte. Dann bin ich aber gleich in den ersten Kollegen hineingelaufen, den ich kannte, dann kamen zwei dazu, dann weitere drei, dann war da noch eine andere Gruppe, der ich Hallo sagen musste, und beim ersten (und einzigen) Versuch, mich abzuseilen, bin ich dann im Eingangsbereich gleich den nächsten Bekannten in die Arme gelaufen, und dann habe ich aufgegeben und bin geblieben – ohne es zu bereuen, denn es war wirklich nett, alle wiederzusehen. Diese Weltkongresse haben so ein bisschen was von Klassentreffen, und wenn man einmal im inneren Zirkel angekommen ist, kennt man gleich dreißig Leute recht gut, aber auch deren Vorgänger, Freunde und Partner. Und dann lernt man Leute mit ähnlichen Interessen kennen und trifft die wieder. Und auch die kennen wieder wen, den sie einem vorstellen, und der sich dann auch an einen erinnert ... So sehr ich virtuelle soziale Netzwerke hasse, weiß ich dieses persönliche Variante sehr zu schätzen. Und im Moment freue ich mich sogar darauf, diese Leute wiederzusehen.

Nur gut, dass ich das in drei Jahren wieder verdrängt haben werde.

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