Montag, 15. Juli 2013

... und andere Städte haben auch Sommer

Auch wenn ich es nur ungern zugebe: ich bin aufgeregt. In ein paar Stunden steige ich in den Zug nach Paris, und da bin ich dann für neun Tage auf dem Weltkongress des internationalen Komparatistikverbandes. Und nein: das ist kein Urlaub!

Solche langen Kongressreisen sind immer stressig, und obwohl die Bedingungen schon viel schlimmer waren als hier, habe ich dieses Mal überhaupt keine Lust. Im Vorfeld habe ich mich viel zu viel über die Kongressorganisatoren geärgert, die ziemlich wenig Lust zu haben schienen, mit den Teilnehmern zu reden. Paris bei dreißig Grad ist auch nicht gerade ein Anreiz zur Freude, schon gar nicht, wenn ich mich ein- oder zweimal in einen Anzug zwängen muss. Und dann sind da die ganzen offenen Fragen, die auf mich zukommen, weil ich ja nicht einfach nur als Wissenschaftler zu dem Kongress fahre, sondern als Offizieller eines Verbandes. Vor allem darauf könnte ich gut verzichten.

Meine Eltern haben mich ja immer davor gewarnt, einem Verein beizutreten. Egal worum es im Verein eigentlich gehen sollte, haben sie mir gesagt, geht es eigentlich immer nur darum, dass irgendwer sich Vorteile verschaffen will, für die im Idealfall irgendwer sonst die Arbeit macht. Nun ist meine Familie nicht unbedingt durch Leutseligkeit und Philanthropie ausgezeichnet – man könnte auch sagen, dass wir ein ziemlich misstrauischer Haufen sind –, aber ich denke, an dieser Lektion ist viel Wahres dran. In den letzten paar Jahren haben mich Kollegen für mehrere solcher Verbände oder Interessengemeinschaften angeworben, und tatsächlich scheint es, wie immer im Leben, nur drei Möglichkeiten zu geben: erstens kann man sich völlig bedeckt halten oder, noch besser, stets tot stellen, wodurch man niemandem auffällt außer den Organisatoren, die sich über einen ärgern; zweitens kann man sich nur immer zu Wort melden, wenn es wichtig zu sein scheint, und dann strategisch anderen Recht geben und Sätze wie "wir sollten das genauso tun, wie X vorgeschlagen hat" fallen lassen, weil das impliziert, dass X jetzt auch die Arbeit macht; und drittens kann man selbst X sein, also durch eigenes Verschulden oder maliziöse Intrige anderer in die Position kommen, ständig Arbeit machen zu müssen, die man jetzt wirklich überhaupt nicht gebrauchen kann.

In diesem Verein hier bin ich in der dritten Position. Zwei Jahre lang habe ich mir jetzt, neben allem anderen, den Kopf darüber zerbrochen, wie unser Verband attraktiver für neue Mitglieder werden kann, und übermorgen präsentiere ich dann meinen elfseitigen Bericht. Es werden ein paar Leute für und ein paar gegen die Vorschläge sein, aber was mich eigentlich nervös macht, ist dass ich noch keine Ahnung habe, wie ich aus der Nummer ohne zusätzliche Arbeit herauskomme. "Ich habe den Plan gemacht, die Arbeit soll sonstwer erledigen" könnte als Argument ein bisschen dünn sein ...

Ein Gutes hat es aber natürlich, so ein völliger Schwarzseher und Angsthase wie ich zu sein: es kann eigentlich gar nicht schlimmer kommen, als ich es mir vorstelle. Wenn ich mir's genau bedenke, macht mich aber das "Eigentlich" in dem Satz ganz schön nervös ;-)

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