Da unsere Fahrt durch Utah, Nevada und Arizona direkt nach der Tagung losging, haben wir schon die erste Nacht in einem Staatsforst verbracht und konnten direkt am ersten reinen Urlaubstag die ersten richtig spektakulären Ziele anfahren. Torrey, unsere Station für die erste Nacht, ist ein Dörfchen, das -
wenn ich nicht etwas ganz spektakulär übersehen habe - aus nur einer
Straße besteht, an der es außer dem General Store, dem Postamt und der
Bank nur aus einer Handvoll Wohnhäusern, Restaurants und Hotels besteht.
Ein paar Pferde statt Autos, und man ist in jeder Hinsicht voll im Wilden Westen.
Mit Blick auf rote Felsen über einen Pferdekoppel hinweg zu frühstücken
ist schon cool, aber unsere nächste Station, Bryce Canyon National
Park, war nochmal eine ganz andere Hausnummer.
Um es gleich vorweg zu sagen: Bryce Canyon hat mich schwer beeindruckt. Man wird dort zwar recht schnell aufgeklärt, dass der Name irreführend sei und es sich dabei nicht um eine Schlucht, sondern um eine vom Regen der Jahrtausende weggewaschene Felswand handelt, aber mir persönlich ist das ziemlich wurscht. Wir waren zwei Stunden vor Sonnenuntergang dort und haben uns relativ schnell an den Abstieg hinunter in die Schlucht (die keine ist) gemacht. Die Felswände stehen wie ein gigantisches offenes Wespennest einfach so rum, ganz als ob ein Riese sein Pappmaché nicht weggeräumt hätte. Die Kontraste zwischen dem Tiefrot des Steins drinnen und den blasen Kalkfelsen drumherum werden auch nach einer ganzen Weile nicht langweilig, ganz besonders, wenn sich noch ein bisschen Grün dazwischen mischt.
Die steilen Wände haben aber auch etwas einladendes, so schwer das vielleicht zu glauben ist. Das Licht ist schlicht unwirklich, die Akustik wie von einem anderen Stern, und dennoch auf gewisse Weise heimelig - jedenfalls solange man noch Tageslicht hat. Je dunkler es nachher wurde, umso weniger entspannt sind alle Besucher den steilen Treppen entgegen, die einen wieder aufs Hochplateau zurückführen. Am Boden des Canyons beginnen sich dann erste Bäume in die Felsschlucht einzuschleichen, was einen nicht nur visuellen Kontrast erzeugt. Der Boden, auf dem sie stehen, ist in unendlich langer Zeit immer tiefer in den Stein hineingefräst worden, immer tiefer geworden, während die Bäume mit dem wenigen Erdreich, in das sie ihre Wurzeln strecken, so hoch hinaus können, dass sie fast schon über die Schlucht hinausragen. In einer drastischen Reduziertheit führt einem diese Schlucht damit wirklich eindrucksvoll vor, was alles 'Natur' ist - und wie wenig sie mit sich eins ist.
Ist man aus den Felsen heraus, steht man in diesem halb versteinerten, spärlichen Wald, in dem nur ein ausgetrocknetes Flussbett erahnen lässt, dass es hier manchmal auch Wasser geben wird. Trotzdem liegt alles voll mit toten, ausgetrockneten Bäumen, die wie Fossilien von Urzeittieren etwas unsagbar majestätisches haben. So sehr wir unser immer einreden, die USA würden alles verkitschen und disneyfizieren, sind ihre Nationalparks mutige, kaum gezähmte Wälder, in denen außer den Wegen wenig davon zeugt, dass hier Menschen in das offensichtlich komplexe Ökosystem eingegriffen haben.
Diese zweite Wanderung über etliche Höhenmeter in zwei Tagen hat mich ziemlich mitgenommen, vor allem, weil ich gerade erst seit einem Tag wieder richtig essen konnte. Vielleicht war ich auch deshalb von unserem nächsten Stop am folgenden Tag weniger begeistert. Zion National Park hat einen hervorragenden Ruf, und wir sind ihm sicher nicht gerecht geworden, denn es ist ein großes Areal, dass zu weiten Teilen nur mit Führungen und in Shuttlebussen zugänglich ist - was für uns mit unserem strammen Programm nicht in Frage kam. Wir haben deshalb nur mitgenommen, was mehr oder weniger am Wegesrand liegt. Die Betonung liegt durchaus auf "weniger." Unser längster Aufenthalt in Zion war direkt vorm Eingang des Tunnels, den die einzige öffentliche Straße dort durchquert. Von dort sind wir zu einem Aussichtspunkt gewandert, der nur eine halbe Meile entfernt liegt - Luftlinie, wohlgemerkt. Wir haben in der glühenden Mittagshitze fast eine Dreiviertelstunde gebraucht, um uns über schmale Fußpfade und grob behauene Stufen wie Bergziegen an der Felswand entlang und durch Höhlen zu schlängeln, bis wir schließlich den vollen Ausblick über das Tal im Herzen des Parks hatten.
Von Zion aus sind wir relativ zügig weiter Richtung Las Vegas, was wahrscheinlich einer der wenigen wirklich langweiligen Abschnitte unserer ganzen Tour war. Die Highways im nördlichen Arizona und Nevada sind nicht so wirklich der Hammer, und landschaftlich war es auch eher mau - so, wie man es sich vielleicht im Amerikanischen Westen vorstellt, mit öden Grasflächen, die sich tellerflach bis zu den Hügeln und Gebirgszügen am Horizont erstrecken.
Las Vegas selbst war dann der Ort, an dem ich wirklich um jeden Cent froh und glücklich war, den wir für ein Navigationsgerät draufgezahlt hatten. Die Stadt ist sehr viel größer, als man sich das vielleicht so vorstellt, was man ja auch eigentlich schon leicht daran ablesen kann, dass der Flughafen der Stadt allen ernstes in der Stadt ist. Und auch wenn es nur eine wirklich wichtige Straße gibt, den Strip, so ist das doch eine verdammt lange Straße. Ja, es gibt eine Magnetschwebebahn, die ein paar der ganz großen Hotels verbindet und mit der man kostenlos am Strip entlang kutschiert wird, aber wir waren letztlich sehr froh, ein Auto dabeizuhaben. Vor allem, wenn man in der Stadt etwas tun will, was nichts mit Casinos zu tun hat, wird es schwierig, die großen Distanzen zu bewältigen.
Als Spieleforscher haben wir natürlich einen ausgiebigen Foschungsaufenthalt im Palazzo oder Venetian - wo welches aufhört, ist nicht so ganz klar - hinter uns gebracht, auf dem aber nur $11 an privatem Vermögen dem experimentellen Glücksspiel geopfert worden sind. Und über Automaten sind wir dabei auch nicht hinausgekommen, denn die Mindesteinsätze an den richtigen Blackjack- und Roulettetischen waren mehr, als wir einfach so verspielen wollten. Wir haben unsere Forschung dann ans andere Ende der Stadt verlagert und in der Pinball Hall of Fame die vergleichsweise obszöne (und schon wirklich unvernünftige) Summe von $20 in alte Flipper und Computerspiele gesteckt.
Die für mich größte Überraschung an Las Vegas war allerdings, das wir dort spektakulär gut gegessen haben. Direkt nach unsere Ankunft waren wir in einem Mexikanisch-Koreanischen Fusion-Food- Lokal, wo wir Tacos mit Kimchi mit mexikanischer Coca Cola (die noch traditionell mit Sirup gesüßt wird) hatten. Und auf unserem Weg aus der Stadt hinaus waren wir in einem der Traditionsrestaurants der Stadt, dem Omelet House. Dort gibt es nicht nur Omelette, sondern, wie in jedem ordentlichen Amerikanischen Laden, auch Waffeln und Steak, aber die fünfzig Sorten des Hauptgerichts sind alle interessant (wenn auch manchmal ein bisschen eklig). Vor allem sättigen sie. Was man dort als eine Portion serviert kriegt, besteht aus mindestens vier Eiern, einem halben Liter Milch und einem Pfund Käse, und dazu kommen dann noch die richtigen Einlagen nach Wunsch.
Das war unser Frühstück. Vierzehn anstrengende Stunden später sind wir in Arizona in einen Diner spaziert, haben die Karte studiert, und ohne Absprache einmütig nur Getränke bestellt, weil noch immer keiner hungrig war. Will sagen: Falls ich je wieder in die Stadt komme, weiß ich schon, wo ich mindestens einmal zum Essen hin will.
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