Jetzt bin ich also wieder in Kopenhagen, und diesmal nicht
als Gast, sondern, ganz ernsthaft und erwachsen, als Professor. Zumindest am
Anfang wird das sicher ein mindestens genauso großes Abenteuer wir letztes
Jahr.
Bevor wir richtig loslegen können, muss ich etwas
klarstellen: Nein, es war keine ausgemachte Sache, dass ich hierher
zurückkehren würde. Ich weiß, dass mehr als einer von Euch das gedacht hat –
allein schon, weil Ihr mir es ins Gesicht gesagt habt –, aber für mich war das
alles andere als eine ausgemachte Sache. Ob ich es wirklich gewollt habe? Da
müssen wir über die Definition von „wirklich“ und „wollen“ reden. Ob ich mich
darauf gefreut habe? Wie auf einen Zahnarztbesuch. Ob es mich ehrt und stolz
macht, dass mich ein paar der klügsten Köpfe in ihrem Fach mich zurück in ihr
Team geholt haben? Aber hallo!
„Zurückgeholt“ klingt nach mehr Vetternwirtschaft, als da im
Spiel gewesen sein dürfte. Es gab ein langes und ausführliches
Besetzungsverfahren, mit einem international zusammengesetzten Gutachterteam
und einem zweitägigen Termin fürs Vorstellungsgespräch. Wie groß (und gut) die
Konkurrenz war, erfahre ich wohl nur, wenn ich meinen Chef betrunken mache –
was nicht allzu schwer sein dürfte, schließlich sind wir in Dänemark. Stolz bin
ich seit dem Morgen, an dem ich zum Vorstellungsgespräch aufgelaufen bin. Nicht
nur haben mich die alten Kollegen extrem herzlich begrüßt; gleich mehrere
meinten, sie könnten sich niemand besseren für die Stelle vorstellen und hätten
mich auch menschlich gern zurück. Sowas hört man nicht allzu oft im Leben –
jedenfalls ich nicht.
Die Herzlichkeit, die mich in Kopenhagen erwartet hat, ist
nur von der übertroffen worden, die mich zu Hause verabschiedet hat. Und genau
da liegt der Hase im Pfeffer. Natürlich ist es schmeichelhaft zu hören, dass
man Freunden, Kollegen und Studenten fehlen wird, aber es tut auch weh. Es ist
wahrscheinlich natürlich und unvermeidlich, dass man beim Abschiednehmen klarer
als je sonst erkennt, was einen mit Menschen verbindet. Das heißt aber nicht,
dass das nicht trotzdem gemein ist. Kurz: ich vermisse Euch wundervollen
Menschen zu Haus.
Mein Gejammer bedeutet selbstverständlich, dass bis jetzt
alles gut gelaufen ist und ich einfach nur einen anstrengenden und manchmal
frustrierenden ersten Tag hatte. Etwa, als der Kollege, der mich hätte
unterstützen sollen, nicht aufgetaucht ist, weil er an einer Mauer in seinem
Garten weiterarbeiten wollte. Und als ich fast völlig unverrichteter Dinge
hätte abziehen müssen, nur weil der Kartendrucker für die Mitarbeiterausweise
in Reparatur ist. Oder später am Nachmittag, als ich versucht habe, das
örtliche IKEA zu finden, obwohl die Verkehrsführung der S-Bahnen geändert ist
und ich, auch eine nicht zu vernachlässigende Kleinigkeit, vergessen habe, mir
eine genaue Wegbeschreibung herauszusuchen. Das hat mir einen langen
Spaziergang, wenn auch in die komplett falsche Richtung (und zurück),
verschafft. Ach ja, und mein Schreibtisch wird erst am 15. frei, das hat unsere
Abteilungsleiterin irgendwie übersehen – oder sie wusste noch vor mir, dass ich
erst am 13. hier nach der großen Konferenz in den USA wieder auf der Matte
stehe.
Auf der Habenseite steht, dass die Kollegen hier auch noch
freundlich sind, jetzt wo ich tatsächlich die Stelle angetreten habe, dass ein
wirklich netter und extrem guter Kollege voraussichtlich bald unser Team verstärkt,
mit dem ich schon lange zusammenarbeiten wollte, und dass ich tatsächlich eine
Wohnung habe. Mein unerschöpflicher Optimismus hat auch nach der Nachricht,
dass Schlüssel für mich deponiert worden sind, noch gemutmaßt, dass ich das
Opfer einer Bande von Immobilienbetrügern geworden sein könnte, die sich auf
fremdländische Akademiker und ihre exzentrischen Wünsche spezialisiert haben. Der
Schlüssel passt, ich habe ein Bett und ein Sofa und eine Küche mit Kühlschrank
und Herd. Der Ausblick auf den Hafen aus dem vierten Stock ist beeindruckend,
und S-Bahn und Aldi sind direkt vor der Tür. Es scheint also, kurz gesagt, als
hätte ich diesmal etwas mehr Glück, was die Wohnung angeht.
Und wenn ich morgen noch ein paar letzte Besorgungen gemacht
habe, darf ich mich ins Flugzeug in die USA setzen und zum ersten Mal zu einer
Konferenz fahren, ohne auch nur einen ansatzweise fertigen Vortrag zu haben.
Schöne neue Welt.
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