Mit der Ökokritik kann ich mal der erste sein, denke ich. Bis jetzt habe ich jedenfalls noch keine Forschung dazu gefunden, was auch nicht weiter überraschend ist, weil dieser Ansatz auch für Literatur erst zwanzig Jahre lang zum Einsatz kommt und erst vor kurzem in der Filmwissenschaft aufgenommen worden ist. Nachdem ich in den letzten Jahren hauptsächlich auf theoretischer Ebene mit verschiedenen Medien gearbeitet habe, ist das hier ein vergleichsweise praktisches Projekt. Die literarische Ökokritik ist nicht wahnsinnig theorielastig, und ihre Beobachtungen lassen sich, soweit ich das bis jetzt überblicke, recht einfach auf ihre Anwendbarkeit für Spiele überprüfen.
Was ich wirklich faszinierend finde, sind aber vielmehr die Spiele, die den Spieler bewusst in einen moralischen Zwiespalt bringen. Mein Kopenhagener Kollege Miguel Sicart hat in seinem exzellenten The Ethics of Computer Games die Beobachtung aufgestellt, dass ein wirklich ethisch interessantes Computerspiel den Spieler zum Nachdenken anregen muss, indem es ihn (wenn auch nur virtuell) in eine unmögliche Situation bringt. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist Red Dead Redemption, das uns in Dialogen daran erinnert, dass die Büffel im Wilden Westen fast ausgestorben sind und damit an unser Ökogewissen appelliert. Es gibt aber ein Achievement, eine Auszeichnung für den Spieler, wenn alle Büffel abgeschossen werden. Dessen Titel, "Manifest Destiny," ist ein ironischer Kommentar auf die amerikanische Besiedelungspolitik des Westens, die Rücksichtslosigkeit gegenüber Natur und Ureinwohnern, und ist damit wenn schon keine Abschreckung, so doch zumindest ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir vielleicht dieses spezielle Achievement nicht erreichen wollen. Gleichzeitig ist das implizite Ziel jedes Open-World-Spiels, alle Möglichkeiten der virtuellen Welt ausgeschöpft zu haben, und der Beleg dafür sind eben die Achievements. Red Dead Redemption bringt den Spieler also in die Situation, zwischen Ökogewissen und Ehrgeiz wählen zu müssen, die jeweilige Entscheidung zu rechtfertigen, vor sich selbst und vor Freunden, die das Achievement oder sein Fehlen bemerken, und zwingt damit ganz von selbst, ohne erhobenen Zeigefinger, zur Auseinandersetzung mit dem sonst so leicht zu verurteilenden moralischen Fehlverhalten der amerikanischen Siedler.
Wie man sieht, fällt es mir nicht schwer, zu dem Thema etwas zu sagen, und deshalb freue ich mich schon darauf, in kurzer Zeit einen simplen, aber dennoch sinnvollen Aufsatz darüber schreiben zu können. Wenn es doch nur immer so einfach sein könnte ...
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