In den letzten zwei Wochen bin ich ständig in Veranstaltungen reingelaufen, von denen ich scheinbar als einziger in der Stadt nichts wusste. Angefangen hat das mit der Saint Patrick's Day Parade. Da ich meistens mit Walkman unterwegs bin, hat mich der Klang der Dudelsäcke nicht schon auf Kilometer hinweg abgeschreckt, so dass ich tatsächlich plötzlich vor dem Umzug stand und jungen, grüngekleideten Frauen mit Fahnen ihrer Heimat-Countys aus dem Weg springen musste. Und dann haben die Dudelsäcke meine Kopfhörer übertönt. Da begreift man ganz unmittelbar, dass der Dudelsack ursprünglich als Abschreckungsmittel früher klangbasierter psychologischer Kriegsführung entwickelt worden ist.
Der Umzug an sich war nicht sonderlich groß, vielleicht hundert Leute oder so, aber überall haben sich Menschen gesammelt und den Feiernden gewinkt oder zugeprostet. Es war immerhin schon nach fünf, also höchste Zeit für ein Feierabendbier nach hiesigem Brauch, und so hat sich die Feier dann auch ganz automatisch durch die Innenstadt verteilt. Allein auf der großen Einkaufs- und Restaurantstraße Strøget gibt es drei oder vier Irish Pubs, und vor denen haben sich dann sehr urige Szenen abgespielt. Schön ist einfach immer wieder, dass viele Kopenhagener solchen Veranstaltungen gegenüber total offen sind, und man konnte überall freundliche Großmütter im Gespräch mit von-Kopf-bis-Fuß-in-grün gekleideten, ziemlich betrunkenen Ausländern sehen konnte.
Und dann haben sich bei uns im Atrium die Ereignisse regelrecht überschlagen. Anfang der Woche hatten wir das wahrscheinlich bizarrste Event, dass ich hier mitbekommen habe. Eine lokale Spielefirma hat mit dem Gesundheitsministerium eine Blutspenden-Aktion veranstaltet. Als Belohnung gab es statt einer Limo und einem Schokoriegel ein Computerspiel, wobei man sogar mit etwas Glück richtig neue Titel gewinnen konnte. Die Schlange hat allen Ernstes unser ganzes Atrium gefüllt, und das den ganzen Tag lang, bis irgendwann die Veranstalter den Spendenwilligen sagen mussten, dass ihnen die Spiele ausgegangen sind. Das nenne ich ein zielgruppenorientiertes Konzept! Nur wer jetzt denkt dass nur unsere technisch orientierten männlichen Studierenden angestanden hätten, täuscht sich. Gerade gegen Feierabend kamen eine Menge junger Menschen in Blaumann oder Malerkluft durch die Tür, und, wie eigentlich überhaupt bei uns im Gebäude, war auch die Schlange eigentlich ziemlich ausgewogen, was die Geschlechterverteilung anging. (Die junge Mutter mit ihrem vielleicht halbjährigen Kind auf dem Arm hat mich ein bisschen unruhig gemacht, geht aber mit Sicherheit als schlagender Beweis für eine breite Akzeptanz durch.)
Kaum hatte sich der Rauch von dieser Veranstaltung verzogen, ging es bzw. geht es gerade mit dem nächsten Großereignis weiter: der Papierflieger-Weltmeisterschaft! Gesponsort von Red Bull (wem sonst), haben wir jetzt ein paar Tage lang einen intensiven Wettbewerb von Athleten aus aller Welt mit ihren hochentwickelten Protoypen beobachten können, stilecht begleitet von einem DJ, moderiert von drei Jungs in Fluganzügen und mit ein paar Hostessen in Stewardessen-Uniform, die Energie-Drink-basierte Cocktails reichen. Dazu sollte man vielleicht noch sagen, dass unsere Uni für die Vermietung des Atriums richtig Geld nimmt, offiziell für die Reinigungskosten. Hier wird also unmittelbare Forschungsförderung betrieben. Wenn wir statt weißem Papier jetzt noch ausgediente Formulare und andere Makulatur benutzt hätten, wäre das ganze sogar als ansatzweise nachhaltig durchgegangen. Gerade jetzt läuft die Endausscheidung an. Mal sehen, ob ich die Siegerehrung mitbekomme; eine Champagnerdusche in der Uni wäre auch für mich neu.
Blogenhagen Cop
Neues aus Legoland
Dienstag, 31. März 2015
Freitag, 27. März 2015
Im Vorfrühling die Kuh fliegen lassen
Seit zwei Wochen ist es scheinbar schlagartig schon immer so früh hell, dass es mir ganz komisch vorkommt, vor einem Monat noch aus ganzem Herzen über die unmenschlich kurzen Tage hier gejammert zu haben. Schon seit Anfang März geht die Sonne so früh auf, dass ich keinen Wecker bräuchte, und in spätestens vier Wochen werde ich ernsthaft über zusätzliche Verdunklung nachdenken müssen, wann immer ich länger als bis sieben schlafen will.
Das dänische Gemeinschaftsleben ist auf diese Gezeitenwechsel natürlich bestens eingestellt. Damit meine ich, dass nicht nur die ersten Einzelgänger in Shorts oder bauchfreien Tops unterwegs sind, sondern ganze Geschätszweige angefangen haben, sich für die warme Jahreszeit ... nun ja, warmzumachen. Am ersten Märzwochenende haben die Eisdielen wieder geöffnet, und bei Paradis, der größten Kette, gibt es am ersten Geschäftstag eine Gratisportion. Diese Information ist schon reichlich beruhigend, wenn man Schlangen um Häuserblocks anstehen sieht und sich fragt, ob man es mit Massenpanik oder Notstand zu tun hat.
Auch alles ansatzweise touristische kommt jetzt aus dem Winterschlaf. Bei manchen Veranstaltungsorten ist es absolut einleuchtend, dass man sie im Winter nicht nutzt. Es gibt hier eine alte Zisterne, die jetzt als Ausstellungshalle genutzt wird, und bei Minusgraden will man jetzt wirklich nicht in einer immer feuchten, dunklen künstlichen Höhle Zeit verbringen. Manche Orte könnten aber definitiv auch das ganze Jahr durch genutzt werden, wenn man nur ein paar Kleinigkeiten ändern würde. Klar ist es zunächst vielleicht der "Street Food Market" nichts, was man als wintertaugliche Attraktion vorstellen würde.
Da aber das wechselhafte Wetter in Kopenhagen die Einheimischen recht vorsichtig macht, liegt die Betonung nicht auf Street, sondern auf Food. Statt unter freiem Himmel sind die Imbissbuden mit Essen aus aller Herren Länder nämlich in einer alten Lagerhalle aufgebaut. Das ist nur ganz am Anfang befremdlich, auch wenn es den unvermeidlichen Nebeneffekt mit sich bringt, dass man sich eben wie in einer riesigen Garküche fühlt. Die Betreiber haben sicher ausgeklügelte Maßnahmen getroffen, um den Kochdunst von fünfzig Grills, Woks und Pfannen aus der Halle zu schaffen, aber natürlich funktioniert das kein Stück. Es ist ein bisschen wie ein Disko, in der man die Nebelmaschine mit Frittenfett gefüllt hat - ein bisschen eklig, aber stimmungsvoll. Ich frage mich aber noch immer, ob die Location eine Notlösung oder Ergebnis ungeheuer ausgeklügelter Überlegungen ist: Auf Papirøen, einer der Binnenhafen-Inseln gelegen, ist der Street Food Market eigentlich nur mit dem Fahrrad wirklich sinnvoll zu erreichen. Es gibt zwar eine Verbindung mit den Wasserbussen zur Nachbarinsel, aber die Linie fährt am Wochenende (und nur dann ist der Markt geöffnet) einmal in der Stunde. Wie gesagt, vielleicht ist das ja kalkül. Ich war jedenfalls zum Umfallen hungrig, bis wir endlich angekommen waren ...
Das dänische Gemeinschaftsleben ist auf diese Gezeitenwechsel natürlich bestens eingestellt. Damit meine ich, dass nicht nur die ersten Einzelgänger in Shorts oder bauchfreien Tops unterwegs sind, sondern ganze Geschätszweige angefangen haben, sich für die warme Jahreszeit ... nun ja, warmzumachen. Am ersten Märzwochenende haben die Eisdielen wieder geöffnet, und bei Paradis, der größten Kette, gibt es am ersten Geschäftstag eine Gratisportion. Diese Information ist schon reichlich beruhigend, wenn man Schlangen um Häuserblocks anstehen sieht und sich fragt, ob man es mit Massenpanik oder Notstand zu tun hat.
Auch alles ansatzweise touristische kommt jetzt aus dem Winterschlaf. Bei manchen Veranstaltungsorten ist es absolut einleuchtend, dass man sie im Winter nicht nutzt. Es gibt hier eine alte Zisterne, die jetzt als Ausstellungshalle genutzt wird, und bei Minusgraden will man jetzt wirklich nicht in einer immer feuchten, dunklen künstlichen Höhle Zeit verbringen. Manche Orte könnten aber definitiv auch das ganze Jahr durch genutzt werden, wenn man nur ein paar Kleinigkeiten ändern würde. Klar ist es zunächst vielleicht der "Street Food Market" nichts, was man als wintertaugliche Attraktion vorstellen würde.
Da aber das wechselhafte Wetter in Kopenhagen die Einheimischen recht vorsichtig macht, liegt die Betonung nicht auf Street, sondern auf Food. Statt unter freiem Himmel sind die Imbissbuden mit Essen aus aller Herren Länder nämlich in einer alten Lagerhalle aufgebaut. Das ist nur ganz am Anfang befremdlich, auch wenn es den unvermeidlichen Nebeneffekt mit sich bringt, dass man sich eben wie in einer riesigen Garküche fühlt. Die Betreiber haben sicher ausgeklügelte Maßnahmen getroffen, um den Kochdunst von fünfzig Grills, Woks und Pfannen aus der Halle zu schaffen, aber natürlich funktioniert das kein Stück. Es ist ein bisschen wie ein Disko, in der man die Nebelmaschine mit Frittenfett gefüllt hat - ein bisschen eklig, aber stimmungsvoll. Ich frage mich aber noch immer, ob die Location eine Notlösung oder Ergebnis ungeheuer ausgeklügelter Überlegungen ist: Auf Papirøen, einer der Binnenhafen-Inseln gelegen, ist der Street Food Market eigentlich nur mit dem Fahrrad wirklich sinnvoll zu erreichen. Es gibt zwar eine Verbindung mit den Wasserbussen zur Nachbarinsel, aber die Linie fährt am Wochenende (und nur dann ist der Markt geöffnet) einmal in der Stunde. Wie gesagt, vielleicht ist das ja kalkül. Ich war jedenfalls zum Umfallen hungrig, bis wir endlich angekommen waren ...
Freitag, 13. März 2015
Sprache, Liebe, Hoffnung. Zum Tod Terry Pratchetts
Die Welt hat
gestern mit Terry Pratchett einen ihrer großen Lehrer verloren.
Das mag jetzt
klingen, als wollte ich ihn für mich oder meinen Berufsstand vereinnahmen, aber
soll ich mir ernsthaft anmaßen, über ihn als Schriftsteller oder als Menschen
zu schreiben? Wenn Neil Gaiman schon vor Monaten auf seinen Freund und Kollegen
einen wundervollen Nachruf zu Lebzeiten geschrieben hat und literarische
Schwergewichte wie Margaret Atwood ihre Hochachtung vor dem häufig
unterschätzten Sprachkünstler ausdrücken? Wer sollte das lesen wollen, von mir?
Terry Pratchett
war jemand, der sich genau diese Frage immer gestellt hat. Jedes seiner Bücher zeugt
davon, dass da jemand sehr genau hingeschaut und unglaublich viel nachgedacht
hat, und gleichzeitig weise und besonnen genug war, eben nicht in eine Tirade,
Predigt oder Belehrung zu verfallen. Wie kein anderer hat er verstanden, dass
er Menschen unterhalten muss, um sie zu erreichen, und dass man nie neugieriger
und aufnahmefähiger ist als wenn man Spaß hat. Er hat mich immer wieder
gleichzeitig zum Lachen und zum Nachdenken gebracht und mich in jedem Text aufs
Neue daran erinnert, dass dies die wirkungsvollste Weise ist, um eine Idee zu transportieren.
Und damit ist er für mich stets ein vorbildlicher Lehrer gewesen.
Ohne erhobenen
Zeigefinger oder -stock hat er mit Sicherheit in mehr Zwölfjährigen eine Liebe
zu oder doch zumindest eine Aufmerksamkeit für Sprache geweckt als Jahre von
Schulunterricht und Anthologien voll großartiger, aber schwer zugänglicher
Literatur. Jeden, der schreibt, weisen seine Texte auf die Notwendigkeit zu irre
viel harter Arbeit hin, aber nicht in Form einer Ermahnung, sondern durch ihre
Beispielhaftigkeit. Klar sind da oft Passagen, die wir so oder ganz ähnlich
schon ein Dutzend Mal gelesen haben, doch in seinen besten Momenten – und von
denen hatte er so viele – hat er Sätze konstruiert, die die die Grammatik und
das Vokabular des Englischen bis weit über die Grenze dessen hinausgeführt haben, was eigentlich machbar
sein sollte. Diese unendliche Sensibilität für Sprache hat er mit einem Sinn
für Humor verbunden, der die ganze Palette des Komischen abdeckt – was man,
würde ich behaupten, durch die Menschheitsgeschichte hindurch nur ganz selten
findet. Und noch dazu hat er sämtliche Register des literarischen beherrscht
und mit Romanen wie The Fifth Elephant komische,
politische Action-Thriller geschrieben, die uns aber nicht wegen ihrer
perfekten Konstruktion im Gedächtnis bleiben, sondern wegen der Menschlichkeit
ihrer Figuren, auch und gerade, wenn es sich bei ihnen eben nicht um Menschen
handelt. Seine Verbindung aus Sprachgewalt, Humor, Scharfsinn und Ehrfurcht vor
dem Menschlichen muss für seinen Schriftstellerkollegen eine vielleicht
bittere, aber sehr lehrreiche Lektion darin gewesen sein, dass
Vielschichtigkeit und Tiefe nicht das gleiche sind wie bitterer Ernst.
Was mir
ungeheuren Trost gibt, ist das Bewusstsein – nicht die Hoffnung oder der
Wunsch, sondern die absolute Gewissheit –, dass seit gestern überall auf der
Welt Menschen jeden Alters wieder eines seiner Bücher in die Hand nehmen. Ob
sie nur daran zurückdenken, wer es ihnen geschenkt hat, nostalgisch nach ihrer
Lieblingsstelle zu blättern anfangen und dann doch irgendwann einen Stuhl vors
Regal ziehen, oder gleich kapitulieren und es sich mit einer Tasse gemütlich
machen – ganz gleich wie, er vereint uns zu einer bunten, weit verzweigten
Familie, der man das wunderschöne Kompliment machen kann, dass sie gerne
miteinander lacht.
Meine Hoffnung
ist, dass er in seinen letzten Wochen und Monaten noch in der Lage war, sich
das bewusst zu machen. Denn selbst in der Art, wie er von uns gegangen ist, hat
er uns noch eine Lektion mitgegeben. Ich spreche nicht so sehr davon, dass sein
Beispiel hoffentlich die Debatte um selbstbestimmtes Sterben neu belebt,
sondern vor allem von der Tatsache, dass wir ihm auf die ein oder andere Weise
beim Sterben zuschauen mussten. Das Wissen um seine Krankheit ebenso wie seine
letzten Bücher, die immer länger wurden, so als wollte er uns noch mehr mit auf
den Weg geben oder einfach nicht loslassen, haben uns Zeit gegeben, um Abschied
zu nehmen, uns mit der Realität abzufinden und nach vorne zu schauen. Und eben
zu hoffen, dass er noch ganz bis zum Schluss wusste, dass er beim Tod einen
mächtigen Stein im Brett haben muss.
(Diesen Nachruf haben auch meine wunderbaren Kolleginnen von Literatur & Feuilleton übernommen. Vielen Dank dafür!)
Montag, 9. März 2015
Was es nicht alles gibt
Nota Bene: Netto ist nicht gleich Netto |
Hygienevorstellungen zwischen unseren großes Nationen scheinen auch auseinanderzugehen. Erst einmal gibt es hier keine Drogeriemärkte in unserem Sinn, sondern eher Parfümerien, die auch pflegende Kosmetik führen. Auch im Detail ist dann einiges anders. Manches gibt es einfach nicht – feuchtes Toilettenpapier habe ich jedenfalls noch keins gesehen –, anderes wird in ungewöhnlicher Weise verkauft. Packungsgrößen für Shampoos und Duschgels tendieren zu einem Format, das in vollem Zustand das Hanteltraining erspart. Gleichzeitig gibt es interessante Produktunterscheidungen, etwa die zwischen brauner und weißer Seife als Generalreiniger.
Vielen Dank für dieses Foto, Véro! |
Nur was, das weiß noch keiner so genau.
Montag, 2. März 2015
Nachts quer durch Dänemark
Verkehrsverbünde sollten eigentlich etwas sein, worüber man sich freut. Man kann mit dem gleichen Ticket von A nach B, auch wenn B in einem anderen Kreis liegt oder so. In der Vergangenheit habe ich mich oft über willkürlich (und meist offensichtlich bewusst) gezogene Grenzen geärgert, wegen derer ich zusätzliche Fahrkarten gebraucht habe. Oder die es einem unmöglich machen, im Vorfeld eine Preisauskunft zu bekommen oder eine durchgehende Fahrkarte zu kaufen. Kurz gesagt dachte ich eigentlich immer, ich wäre der größte Fan von Verkehrsverbünden überhaupt.
Jetzt hat man sich in Kopenhagen gerade nach langer Treue von einer Nahverkehrstradition verabschiedet: der Klippekort. Diese lustigen Streifen aus dünner Pappe habe das Fortkommen mit Bus und Bahnen hier in der Vergangenheit schön unkompliziert gemacht. Karte in den entsprechenden knallgelben Automat stecken, auf das Geräusch von Datumsstempel und Zange warten, und los geht die Fahrt. Dass dieses System ein bisschen antiquiert ist, steht außer Frage, und der alte Öko in mir hat ein Problem mit dem ganzen Papier (mit aufgedruckten Hologrammstreifen, die Recycling schwierig machen dürften), das dafür gebraucht wird. Auch der Wartungsaufwand muss enorm gewesen sein, weil die Stempelmaschinen eigentlich ständig im Eimer sind und dann vor Ort von einem Servicemitarbeiter repariert werden müssen. Auch hier verstehe ich eigentlich völlig, warum dieses System durch ein anderes abgelöst worden ist.
Das neue System ist die Rejsekort, die nach Vorbild des Londons Oyster-Systems mit berührungsfreien Chipkarten funktioniert. Noch so eine Technik, die ich eigentlich mag, auch wenn es da ein paar Sicherheits- und Datenschutzbedenken gibt. Aber generell funktionieren diese Karten ordentlich, und wenn man nicht wie ich gleich mehrere von der Sorte im Portemonnaie hat, kann man die Karte sogar drinlassen, wenn man sich an einem der neuen, jetzt blauen Automaten registriert.
Warum ich trotzdem meckere? Hauptsächlich wegen der Notwendigkeit, sich bei jedem Wechsel des Verkehrsmittels neu anzumelden und am Fahrtende auszuchecken. Das ist für Umsteiger schon ein bisschen unbequem, und vor allem das Auschecken ist sehr gewöhnungsbedürftig. Aber notwendig für alle Beteiligten, denn – und hier kommen wir zurück zum Verkehrsverbund – theoretisch kann ich von hier bis kurz vor Flensburg oder Malmö fahren, ohne ein zusätzliches Ticket zu kaufen. Das ist so lange großartig, bis man das Auschecken vergisst und das System denkt, man wäre noch immer unterwegs, die Nacht hindurch, theoretisch hunderte Kilometer weit. Na ja, dafür müsste man irgendwann in ein neues Verkehrsmittel einchecken, so dass man nur die ganze Nacht mit der S-Bahn von einer Endstation zu nächsten fahren könnte. Aber selbst das wäre dann einmal quer (oder vielmehr längs) durch Dänemark. Da wir alle nur Menschen sind, bekommt man in dem Fall noch nicht einmal eine große Strafgebühr berechnet. Stattdesaen landet man auf einer Liste von Verpeilern, die auch Betrüger sein könnten (und umgekehrt). Und nach ein paar Verstößen bekommt man die Karte gesperrt.
Mal sehen, wie lange das bei mir dauert ...
Jetzt hat man sich in Kopenhagen gerade nach langer Treue von einer Nahverkehrstradition verabschiedet: der Klippekort. Diese lustigen Streifen aus dünner Pappe habe das Fortkommen mit Bus und Bahnen hier in der Vergangenheit schön unkompliziert gemacht. Karte in den entsprechenden knallgelben Automat stecken, auf das Geräusch von Datumsstempel und Zange warten, und los geht die Fahrt. Dass dieses System ein bisschen antiquiert ist, steht außer Frage, und der alte Öko in mir hat ein Problem mit dem ganzen Papier (mit aufgedruckten Hologrammstreifen, die Recycling schwierig machen dürften), das dafür gebraucht wird. Auch der Wartungsaufwand muss enorm gewesen sein, weil die Stempelmaschinen eigentlich ständig im Eimer sind und dann vor Ort von einem Servicemitarbeiter repariert werden müssen. Auch hier verstehe ich eigentlich völlig, warum dieses System durch ein anderes abgelöst worden ist.
Das neue System ist die Rejsekort, die nach Vorbild des Londons Oyster-Systems mit berührungsfreien Chipkarten funktioniert. Noch so eine Technik, die ich eigentlich mag, auch wenn es da ein paar Sicherheits- und Datenschutzbedenken gibt. Aber generell funktionieren diese Karten ordentlich, und wenn man nicht wie ich gleich mehrere von der Sorte im Portemonnaie hat, kann man die Karte sogar drinlassen, wenn man sich an einem der neuen, jetzt blauen Automaten registriert.
Warum ich trotzdem meckere? Hauptsächlich wegen der Notwendigkeit, sich bei jedem Wechsel des Verkehrsmittels neu anzumelden und am Fahrtende auszuchecken. Das ist für Umsteiger schon ein bisschen unbequem, und vor allem das Auschecken ist sehr gewöhnungsbedürftig. Aber notwendig für alle Beteiligten, denn – und hier kommen wir zurück zum Verkehrsverbund – theoretisch kann ich von hier bis kurz vor Flensburg oder Malmö fahren, ohne ein zusätzliches Ticket zu kaufen. Das ist so lange großartig, bis man das Auschecken vergisst und das System denkt, man wäre noch immer unterwegs, die Nacht hindurch, theoretisch hunderte Kilometer weit. Na ja, dafür müsste man irgendwann in ein neues Verkehrsmittel einchecken, so dass man nur die ganze Nacht mit der S-Bahn von einer Endstation zu nächsten fahren könnte. Aber selbst das wäre dann einmal quer (oder vielmehr längs) durch Dänemark. Da wir alle nur Menschen sind, bekommt man in dem Fall noch nicht einmal eine große Strafgebühr berechnet. Stattdesaen landet man auf einer Liste von Verpeilern, die auch Betrüger sein könnten (und umgekehrt). Und nach ein paar Verstößen bekommt man die Karte gesperrt.
Mal sehen, wie lange das bei mir dauert ...
Freitag, 20. Februar 2015
Im Ernst?
Eines der Gesprächsthemen, auf das Ausländer in Dänemark immer wieder zurückkommen, ist der dänische Humor. Man ist hier stolz darauf, meistens über den Dingen zu stehen, locker drauf zu sein und über so ziemlich alles Witze machen zu können. Mohammed-Karikaturen sind da nur die Spitze des Eisbergs, und auch nach dem Anschlag vom Wochenende ist es fraglich, ob sich in der Hinsicht etwas ändern wird. Es versteht sich von selbst, dass da die Grenzen des guten Geschmacks und vor allem die Grenze zwischen Spaß und ernst oft nicht ganz eindeutig verlaufen – selbst für Einheimische. Wir Gastarbeiter sind deshalb manchmal ganz schön verunsichert, was denn hier ernstgemeint ist und was nicht.
Nehmen wir mal als Beispiel diese Skulptur. Ich will jetzt gar nicht ernsthaft spekulieren, was die Aussage dahinter ist, dass die Kleine Meerjungfrau Tentakel hat und aussieht, als hätte jemand ein unliebsames Plastikspielzeug liebevoll in der Mikrowelle Karussellfahren gelassen. Egal, wie man die Skulptur deutet, ist schon klar, dass sie ein Kommentar auf die 'echte' Meerjungfrau ist, die gerade mal einen Kilometer weit weg wohnt. Ja, es ist Kunst und dementsprechend etwas, dessen Vieldeutigkeit ich sowohl berufs- als auch überzeugungsmäßig bis zum letzten Atemzug verteidigen würde. Aber ein Teil von mir fragt sich dann doch, ob das ernstgemeint ist. Bei dem angrenzenden Skulpturenpark ist das etwas anderes, allein schon, weil die Elemente des Ensembles aufeinander Bezug nehmen. Da glaube ich schon, es mit etwas ernstgemeintem zu tun zu haben.
Die Tentakel-Meerjungfrau macht es mir da schwerer. Sicher hat dafür jemand Künstlerförderung gekriegt, und die Kosten für Material und Montage bewegen sich bestimmt in der Größenordnung eines Kleinwagens. Aber bestenfalls im Auktionshaus gilt 'Kunst ist das, was teuer ist' – und es ist ja auch gar nicht die Frage, ob es sich um Kunst handelt. Tut es, aber das gilt auch für viele Graffiti. Und genau wie diese scheint mir auch die Skulptur respektloser Spott zu sein; falls sie außerdem auch feingeistige Ironie oder andere 'ernste' Werte hat, verschließen sie sich mir. So auf den ersten Blick jedenfalls. Aber, und damit sind wir wieder am Anfang: wer weiß schon, wo da nach lokalen Geschmacksmaßstäben die Grenzen verlaufen? Bald sind hier wieder Wahlen, und ich freue mich schon wieder auf die Werbespots.
Andere Länder, andere (Un)Sitten. So ist das wohl. Und wer weiß schon, was überhaupt ernstgemeint ist. Bei Blogposts beispielsweise weiß ich das nie so recht. Schon gar nicht bei meinen eigenen.
Nehmen wir mal als Beispiel diese Skulptur. Ich will jetzt gar nicht ernsthaft spekulieren, was die Aussage dahinter ist, dass die Kleine Meerjungfrau Tentakel hat und aussieht, als hätte jemand ein unliebsames Plastikspielzeug liebevoll in der Mikrowelle Karussellfahren gelassen. Egal, wie man die Skulptur deutet, ist schon klar, dass sie ein Kommentar auf die 'echte' Meerjungfrau ist, die gerade mal einen Kilometer weit weg wohnt. Ja, es ist Kunst und dementsprechend etwas, dessen Vieldeutigkeit ich sowohl berufs- als auch überzeugungsmäßig bis zum letzten Atemzug verteidigen würde. Aber ein Teil von mir fragt sich dann doch, ob das ernstgemeint ist. Bei dem angrenzenden Skulpturenpark ist das etwas anderes, allein schon, weil die Elemente des Ensembles aufeinander Bezug nehmen. Da glaube ich schon, es mit etwas ernstgemeintem zu tun zu haben.
Die Tentakel-Meerjungfrau macht es mir da schwerer. Sicher hat dafür jemand Künstlerförderung gekriegt, und die Kosten für Material und Montage bewegen sich bestimmt in der Größenordnung eines Kleinwagens. Aber bestenfalls im Auktionshaus gilt 'Kunst ist das, was teuer ist' – und es ist ja auch gar nicht die Frage, ob es sich um Kunst handelt. Tut es, aber das gilt auch für viele Graffiti. Und genau wie diese scheint mir auch die Skulptur respektloser Spott zu sein; falls sie außerdem auch feingeistige Ironie oder andere 'ernste' Werte hat, verschließen sie sich mir. So auf den ersten Blick jedenfalls. Aber, und damit sind wir wieder am Anfang: wer weiß schon, wo da nach lokalen Geschmacksmaßstäben die Grenzen verlaufen? Bald sind hier wieder Wahlen, und ich freue mich schon wieder auf die Werbespots.
Andere Länder, andere (Un)Sitten. So ist das wohl. Und wer weiß schon, was überhaupt ernstgemeint ist. Bei Blogposts beispielsweise weiß ich das nie so recht. Schon gar nicht bei meinen eigenen.
Freitag, 13. Februar 2015
Kauft Deutsche Wertarbeit!
Nationalbewusste Nachbarschaftshilfe |
Trotzdem habe ich mich kürzlich bei dem Gedanken ertappt, dass das mit deutscher Wertarbeit nicht passiert wäre, und hatte danach den unüberwindlichen Drang, etwas deutsches zu kaufen. Es war einer dieser Momente, in denen man sich gleichzeitig eine Kamera wünscht und von Herzen froh ist, dass einen doch keiner gefilmt hat. Als ich in meine neue Wohnung hier eingezogen bin, war eine der ersten Amtshandlungen natürlich, mir Putzzeug zuzulegen. Meinen Wischmop habe ich mir in einem kleinen Handwerker- und Haushaltswarenladen um die Ecke gekauft, für teurer Geld, als der billige Eindruck es mich hätte erwarten lassen. Aber über Preise wundere ich mir schon lange nicht mehr, und ein paar Monate lang hat mir das Zeug auch gute Dienste geleistet.
So lange eben, bis ich in jugendlichem Überschwang mit dem Mop den Putzeimer umwerfe und meinen Flur und das halbe Schlafzimmer flute. Mein enthusiastisches Putzen wird schlagartig hektisch, während ich sehe, wie schnell das Wasser in die reiten Fugen meines Dielenbodens einzieht. Nachdem ich also Geschirrhandtücher und Lappen geistesgegenwärtig über das Krisengebiet verteilt habe, beginne ich, mit dem Mop so viel und schnell wie möglich Wasser zurück in den Eimer zu transportieren. Ich erwarte jeden Moment, dass mein Nachbar von untendrunter klopft und ich herausfinde, was die dänischen Worte für Wasserschaden und Haftpflichtversicherung sind, und vielleicht bin ich etwas ungestümer, als ich sein sollte.
In jedem Fall knirscht es irgendwann unangenehm, und in dem kurzen Moment, den ich kopfüber Richtung Putzeimer stürze, stelle ich mir vor, wie der Nachbar seine Beschwerde einem auf seinem abgebrochenen Schrubberstil aufgespießten Deutschen vorbringt. "War das Wasser noch nicht schlimm genug? Musst Du jetzt noch durch meine Decke bluten?" Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit habe ich den gebrochenen Mop entsorgt und dabei festgestellt, dass er noch nicht einmal aus Kunststoff war, sondern aus papierdünnem Blech mit einem dicken Überzug aus sprödem Gummi. Da hat jemand lange darüber nachgedacht, wie man etwas oberflächlich stabiles konstruieren kann, dass anfangs brauchbar wirkt und auf keinen Fall dauerhafter Beanspruchung standhält.
Nach dieser Erfahrung habe ich dann in einem größeren Baumarkt ganz gezielt nach dem Inbegriff deutscher Gründlichkeit und haltbarer Sauberkeitsgarantie gesucht und bin schließlich als glücklicher Besitzer eines Vileda-Produktes zurückgefahren und habe mit Genuss und ohne Gefahr für Leib und Leben geputzt. Manchmal ist eben nichts dagegen einzuwenden, sich auf Traditionen und Werte zu stützen. Oder auf eine robuste Stahlstange.
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