Samstag, 27. Dezember 2014

... nur du allein

Was tut man zu Weihnachten, wenn man seinen Alltag in einer Weltstadt in einem anderen Land verbringt? Ganz klar, man fährt in eine andere Weltstadt auf Kurzurlaub, damit es nicht langweilig wird. Eine zu große Herausforderung soll es natürlich auch nicht sein, also nimmt man eine Stadt, die man schon ein bisschen kennt. Und so sind wir jetzt im schönen Wien, das sich für uns - und die tausenden anderen Touristen, ich gebe es ja zu - nochmal besonders herausgeputzt hat, mit roten Schleifchen an den Gebäuden und Kronleuchtern in den Straßen. Kalt ist es hier zwar, und das auf eine durchdringende Weise, die mir selbst im hohen Norden so nicht oft begegnet ist in diesem Winter, aber trotzdem schön, mit ein bisschen Sonne und blauem Himmel. Ein Teil der Weihnachtsmärkte ist noch geöffnet, so dass man sich auch außerhalb der Kaffeehäuser etwas warmes zu trinken einverleiben kann, und Maronen und Pfannkuchen gibt es an jeder Straßenecke.

Und der Touristentrubel hält sich tatsächlich noch in erträglichen Grenzen (sagt der Tourist). Als ich vor zwei Jahren Anfang Dezember hier war, ist es mir schlimmer vorgekommen. Entweder ist der Weihnachstmarkt-Tourismus ausgeprägter als der eigentliche Weihnachtstourismus, oder Wien ist in diesem Jahr nicht ganz so angesagt. Wenn man nach den Sprachen geht, die es auf den Straßen zu hören gibt, sind es in diesem Jahr vor allem Franzosen, die den Weg hierher gefunden haben, gefolgt von Russen und Italienern, mit den üblichen vermischten Asiaten und gelegentlichen Amerikanern zwischendrin. Vergleichsweise wenig Familien mit Kindern - das sind meist Einheimische -, aber das zumindest ergibt sich wahrscheinlich aus der Weihnachtszeit.
 
Für jemanden, der sich schon in der Mitte Deutschlands über längere Tage als im südlichen Skandinavien freuen kann, gibt es 'hier unten' geradezu unfassbar viel Sonnenlicht. Und eine richtige Dämmerung, also einen merklichen, zeitlich begrenzten Übergang von hell zu dunkel, statt eines kriechenden Übergangs von nicht-so-wirklich-hell zu stockfinster. Dafür ist es aber tatsächlich noch einmal kälter und unangenehmer als in Kopenhagen. Wo es in Dänemark gern mal bei niedrigen Plusgraden vor sich hin nieselt und deshalb unangenehm ist, spürt man im Moment hier, was Kontinentalklima bedeutet. Während an der Küste der Wind immer eine Andeutung von Veränderung mit sich bringt, fühlt sich das Wetter hier bleiern an, als hätte es nicht den geringsten Antrieb, sich zu verändern oder von der Stelle zu bewegen. Die Kälte ist insofern nicht nur einfach da, sie verteidigt ihr Revier gegen uns schwächliche Eindringlinge. Und wenn Wind aufkommt, versteht man, warum in manchen Gegenden der Nordwind als strenger Gott verehrt worden ist.

Nun brauchen Akademiker ja weißgott keinen äußeren Anreiz, um sich in Museen zu flüchten - man könnte umgekehrt eher schon sagen, dass sie ihr bevorzugtes Rückzugsgebiet darstellen -, aber die Kälte nimmt einem die Entscheidung zwischen langen Spaziergängen an der frischen Luft und dem Schlendern zwischen Skulpturen und Bildern in (mehr oder weniger) beheizten Räumlichkeiten vollends ab. Im Museum für Moderne Kunst gibt es eine faszinierende Ausstellung der deutschen Gegenwartskünstlerin Cosima von Bonin, die mit ungewöhnlichen Materialien wie Geschirrhandtüchern oder Pappkarton arbeitet. Das Ergebnis ist wortwörtlich knuffige Kunst.

Und wer es weniger experimentell mag, ist in Wien natürlich immer gut aufgehoben. Ich bin ja wirklich kein Freund von Superlativen, und ich spiele mich ungern als weitgereist oder gar als Kunstkenner auf, aber das Kunsthistorische Museum Wien ist aus meiner persönlichen Warte eines der besten Museen der Welt. Ja, die Museumspädagogik ist altmodisch, und die Bilder hängen oft noch auf die gleiche Art wie vor über hundert Jahren. Im Rejksmuseum ist das Licht besser. Der Louvre ist nochmal viel größer. Manche Regionen und Epochen sind lächerlich unterrepräsentiert. Aber das was da in der Gemäldesammlung an alten Meistern ausgestellt ist, bildet eine der - ja, ich traue mich das so platt zu schreiben - schönsten Kollektionen gegenständlicher Malerei, die mir auf drei Kontinenten untergekommen ist. Und das Gebäude passt selbstverständlich (Vorsicht Kalauer) voll ins Bild.

Noch viel besser kann man Akademiker-Nicht-Weihnachten eigentlich kaum begehen!

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