Sonntag, 16. November 2014

Musik, Mord und Museen

Dieses Wochenende war ich tatsächlich mal privat aktiv. Zwar hätte ich, wie immer, genug dienstliches zu tun, um auch Samstag und Sonntag durchzuarbeiten, aber dafür habe ich im Moment nicht den Kopf frei. Am Freitag gab es auch gleich mehrere außerdienstliche Termine an der Universität. Zum einen hatten die Studis ihre Herbstsemester-End-Party organisiert, die traditionell ein Laser-Rave ist. Will sagen: Sehr laut, auch volltrunken tanzbar, garniert mit viel buntem Licht. Das Atrium unserer Universität ist für so eine Veranstaltung auch wie geschaffen, mit dem ganzen Glas und den offenen Flächen. Es gab zusätzlich zu den Werbeplakaten tatsächlich gleich mehrere Warnplakate und -E-Mails, weil die Beleuchtung ja abgeschaltet werden musste und man auf das Flackern mit Epilepsie reagieren könnte, aber Vorsicht muss wohl sein. Und nachdem das ganze ehre langsam anlief, waren eine ganze Menge Leute da, als wir gegen halb zwölf gegangen sind.

Bevor sich jemand wundert: nein, ich war nicht zum Tanzen da. Kollegen haben mich spontan als Ersatzkandidaten für ein Rollenspiel eingeladen, eine Mordermittlung in drei Akten mit neun Figuren, von denen jede hätte der Mörder sein können. Anfangs hatten wir etwas bedenken, dass wir in die richtige Stimmung kommen würden wegen der Tanzmusik draußen, aber wir haben uns im Telekonferenz-Raum getroffen, der wirklich sehr gut schallisoliert ist. Viel geholfen hat, dass die Damen sich passend zum Setting unseres Mordfalls – der an der Miskatonic-Universität H.P. Lovecrafts angesiedelt war – gekleidet hatten, also in vollem Zwanziger-Jahre-Fummel. Dazu Kerzenlicht (das tatsächlich nicht den Feueralarm ausgelöst hat, wie wir irgendwann erstaunt feststellen konnten) und ab und zu das Flackern der Stroboskope aus dem Atrium, und die Gruselatmosphäre hätte eigentlich nicht besser sein können. Die Auflösung des Falls war fürchterlich unbefriedigend, aber wir hatten trotzdem ein paar Stunden lang einen Riesenspaß. Und machen das bestimmt bald wieder.

Zum vollständigen Kontrast war ich dann heute in der staatlichen Kunstsammlung. Weite Teile dieses Museums sind kostenlos zu besichtigen, und allein schon das Gebäudeensemble ist es eigentlich wert, dass man mal durchschlendert. Das alte Hauptgebäude ist ein typisches Museum des 19. Jahrhunderts, nordisch natürlich in Backstein ausgeführt, aber eben einer dieser prächtigen Musentempel, die einem erst einmal etwas Ehrfurcht einflößen sollen, bevor man an die Bilder und Skulpturen darf. An den Bau hat man, mitsamt einer Glas-und-Stahl-Überdachung, einen Neubau angeflanscht. Von außen bildet das einen heftigen Kontrast, drinnen ist es aber fast schon gemütlich, wie jede dieser Drinnen-Draußen-Konstruktionen. Und da die neue und alte Sammlung in den passenden Gebäuden untergebracht sind und man über Brücken von den Klassikern zu den Modernen gelangt, hat der Raum auch einen sehr schön stimmigen Charakter was seine Funktion als Museum angeht. (Ich war beim Mord-Rollenspiel übrigens ein Architekt, falls man das noch merken sollte).

Die Dauerausstellung ist recht durchwachsen, muss ich sagen. Die alten Meister haben eigentlich noch die meisten interessanten Objekte. Viele flämische Malerei aus dem 16. und 17. Jahrhundert, zum Teil von Künstlern aus der zweiten Reihe, aber oft trotzdem wirklich interessant. Viele der Stücke stammen aus der ehemaligen königlichen Privatsammlung, und man hatte dort wohl einen Hang zum Allegorischen. "Junge mit Seifenblasen" ist ein gutes Beispiel dafür, das man sogar versteht, ohne den Untertitel zu kennen ("Allegorie auf die Vergänglichkeit"). Noch etwas weniger subtil ist Otto van Veens "Allegorie auf die Versuchungen der Jugend", auf dem sich die griechische Göttin der Weisheit, Pallas Athene, dazwischenwirft, als Venus ihre verführerische Muttermilch in den Mund eines jungen Mannes spritzt. Da soll mal noch einer sagen, die alten Flamen hätten keinen Sinn für Humor gehabt!


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