Donnerstag, 19. September 2013

Jenseits von Kopenhagen

Ich habe ein Geständnis zu machen: Mein Lob der touristischen Seite Kopenhagens Anfang dieser Woche ist nur die halbe Wahrheit.Wer jetzt denkt, dass ich meinen Zynismus wiederentdeckt habe und alles widerrufe, kennt mich zwar erschreckend gut, liegt diesmal aber tatsächlich falsch. Ganz im Gegenteil: ich habe noch mehr Gutes zu berichten.

Nach zwei Tagen Tourismus in der Hauptstadt haben wir dem Rest des Landes (oder doch zumindest dem direkten Umland) eine Chance gegeben und sind mit einem Mietwagen die Ostküste von Seeland nach Norden gefahren, mit ein paar Abstechern ins Landesinnere. Als wir das Auto gebucht haben, wollte Claudia gern etwas mittelgroßes, und ich wollte keinen Golf. Wir haben die Angebote der verschiedenen Autovermietungen durchgeschaut, und Europcar listet marginal weniger biederes und etwas exotischeres als die übliche deutsche und französische Palette. Ich hatte mich wirklich auf einen Mitsubishi oder Volvo gefreut, wäre auch mit einem Lancia glücklich gewesen, und was bekommen wir? Einen silbernen Golf. Diesel. Mit Spritsparausstattung. Und was soll ich sagen: Es ist ein ganz phantastisches Auto, das sich hervorragend fährt und auch wirklich Spaß macht. Wenn es möglich wäre, hätte ich mir die Bremsen für zuhause einpacken lassen und mitgenommen ...

In dem Stil hat sich dann auch unsere Fahrt durch das östlichste Ende Dänemarks gestaltet. Wir haben eigentlich nie viel erwartet, haben letztlich immer falsch gelegen mit unseren Erwartungen und sind trotzdem freudig überrascht worden. Nachdem wir in Prag über Personenkult die Nase rümpfend einen weiten Bogen ums Kafkahaus gemacht haben, war es schon sonderbar, ausgerechnet ins Karen Blixen Museum zu gehen. Was den Besuch dort lohnenswert macht, ist auch nicht das Interesse an ihrer Person - wer Jenseits von Afrika gesehen hat, weiß schon so ziemlich alles -, sondern die Weise, auf die ihr Haus und Garten lebendig gehalten werden. Weil sie für ihre Blumensträuße berühmt war, stehen im ganzen Haus Vasen, wie sie sie auch gestaltet hätte, was dem komplett historisch eingerichteten Landgut eine gespenstisch bewohnte Atmosphäre verleiht. In manchen Räumen ist es, als würde sie gleich aus dem Garten zurückkommen und die Gardinen zurechtrücken.

Sehr viel weniger bewohnt sind die ländlichen Schlösser, die es um Kopenhagen herum zu besichtigen gibt. Wer nach Rosenborg in der Stadt den Eindruck haben sollte, dass man hier eben kleinere Brötchen gebacken hat, würde sich mächtig täuschen. Schloss Fredriksborg, ein Stückweit im Landesinneren im (alles andere als malerischen) Hillerød gelegen, ist ein ungemein prächtiges, beeindruckendes Wasserschloss, das sich vor keinem Palast Europas zu verstecken braucht.

Die Höfe und Gebäude sind wirklich königlich, auch wenn selbst hier ein bisschen das Familiäre erhalten bleibt, dass mir so langsam als typisch dänisch erscheint. Wo andere Repräsentationsbauten manchmal darauf ausgelegt zu sein scheinen, einfach nur zu beeindrucken und vielleicht sogar einzuschüchtern, sind hier die Größenverhältnisse ein bisschen menschlicher, die Gestaltung weniger abweisend.

Der Barockgarten im Norden des Schlosses ist auf mehreren Ebenen angelegt, durch die ein künstlicher Wasserlauf fließt, der die Ordnung und Symmetrie der Anlage noch zusätzlich betont. Und wenn man hier einen Moment lang denken sollte, den Ort gefunden zu haben, wo es perfekt und unmenschlich würde, entdeckt man die Einfriedungen hinter den repräsentativen, millimetergenau geschnittenen Buschfassaden, in denen Unkraut und Obstbäumchen sprießen.  

Noch eine Priese menschlicher wird es dann im Louisiana Museum of Modern Art (das seinen Namen daher hat, dass der Erbauer des Gebäudes dreimal verheiratet war, und alle drei Frauen Louise hießen). Direkt an der Küste gelegen, ist das Gebäude zur Rückseite hin an mehreren Stellen offen und lässt seine Besucher in den Park dahinter, in dem man zwischen weit verstreuten modernen Skulpturen spazieren oder picknicken kann - alles mit Blick direkt auf den Öresund. Die Cafeteria bietet ausgezeichneten Kuchen an, der Museumsshop ist praktisch ein super edler Innenausstatter und Juwelier, und beim ersten Blick auf das Verhalten der Besucher könnte man denken, dass kaum jemand für die Kunst dorthin kommt. Auch wenn wir hier wichtige Teile der Dauerausstellung wegen Umbaus nicht sehen konnten und uns die große Yoko Ono-Sonderausstellung nicht so viel gegeben hat, ist der Kern der Dauerausstellung, gut versteckt im Keller, ganz ausgezeichnet. Und zum offenen, schrägen Konzept des Museums passend ist die Dauerausstellung eigentlich keine, denn es wird immer nur ein Bruchteil der eigenen Bestände ausgestellt, in ständig wechselnden Anordnungen. Wer also nicht schon wegen des tollen Gebäudes wiederkommen wollte, wird spätestens durch die Ausstellung überzeugt.   

Nach einer Nacht im angeblich besten Hotel von Helsingør (das den Charme einer notdürftig in den Spätachtzigern umgebauten Reha-Klinik, aber einen wirklich ausgezeichneten Koch hat) sind wir dann am nächsten Morgen auf den Spuren Hamlets zur Festung Kronborg. Das Wetter war, zum Weltschmerz des dänischen Prinzen passend, trüb-traurig, aber zum Glück kann man sich in Kapelle, Gemächern und Kasematten lange genug rumdrücken, um den ein oder anderen Regenschauer vorbeiziehen zu lassen.

Und wenn man von Helsingør aus über die schmalste Stelle des Öresund nach Schweden guckt und selbst noch bei Regen und Nebel denkt, rüberlaufen zu können, wird einem auch klar, warum diese zwei Nachbarstaaten ungefähr tausend Jahre lang im Kriegszustand miteinander gelebt haben. Es mag also einiges faul sein im Staate Dänemark, aber man muss es den Dänen lassen: von Museen und Schlössern verstehen sie einiges.
 

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