Gestern hat der
Sommer hier sein Näschen gezeigt. Genau wie die gewöhnlichen Sterblichen hier
ist er ein hellerer Typ, rotblond, robust, und so richtig viel Sonne verträgt
er nicht.
Am Freitag war es schon nett und auch für mitteleuropäische
Verhältnisse frühlingshaft. Statt um sechs in der universitätseigenen Kneipe
ein Bierchen zu zischen, war jeder auch nur ansatzweise lebendige Teil der
Studentenschaft schon um zwei in der Sonne vorm Gebäude. Um drei war‘s richtig
laut, ab vier war singen angesagt, und als um sechs der Vorplatz im
Halbschatten lag, waren nur noch ein paar versprengte leere Weinflaschen übrig.
Am Wochenende war ich wahrscheinlich der einzige Mensch in langen Hosen in
Kopenhagen. Gestern hat das Thermometer dann tropische 22 Grad erreicht, und
der durchschnittliche Wikinger fängt an, unter der Hitze zu stöhnen. Mein
Bürokollege Rune hat sich um halb vier mit den Worten verabschiedet: "Ich
hab die Schnauze voll. Ich schwitze jetzt schon seit zwei Stunden wie ein
Schwein." Man hat hier halt andere Maßstäbe. Das gilt auch für die
Architektur. Unser wunderschönes Unigebäude ist offiziell ein
Niederenergie-Gebäude. Das ist dänisch für: Wir bauen ein fünfstöckiges
Treibhaus ohne Klimaanlage, weil das im Winter Heizkosten spart und in den zwei
Sommermonaten eh alle in Urlaub sind. Und wenn nicht, sorgen die schmelzenden
Mitarbeiter auf der Südseite für ein angenehmes Mikroklima.
Nach dem einen
Sommertag sieht‘s heute übrigens so aus. Die Leute packen, das ist kein Scherz, ihre Wollmützen
wieder aus. Rune hat es, genau wie ich, mitten in einem Gewitterschutt zur Uni geschafft. Und
weil es ja bekanntlich kein schlechtes Wetter sondern nur unpassende
Kleidung gibt, sitzt der Gute jetzt in seiner Unterwäsche am
Schreibtisch gegenüber, und seine Klamotten sind durchs Büro verteilt. Anpassungsfähiges
Volk, die Dänen.
Nicht nur im Wetterbericht gibt es hier Veränderungen. Gute drei Monate nach Beginn meines Forschungsaufenthalts in Dänemark hat er endlich auch im engeren Sinn begonnen. Klingt paradox? Nicht wirklich.
Jedenfalls verbringe ich während der Semester viel Zeit damit, solche inhaltlich guten aber schwer verständlichen Texte greifbar zu machen. Das Ergebnis sind dann Präsentationen, die einen Überblick von Elementen des Computerspiels oder Zeitkonzepten geben sollen. Ob es das wirklich besser macht, darüber streiten sich die Götter (zumindest die der Didaktik). Ich denke immer, dass es für andere nicht schaden kann, solange ich das Gefühl habe, selbst noch etwas dabei zu lernen.
Und was mache ich, wenn ich keine Präsentationen für Seminare zusammenzimmere? Richtig: Präsentationen für Vorträge wie den, den ich am Freitag in Dortmund halten werde. Der große Unterschied ist, dass ich hier mit der Präsentation anfange und tatsächlich am visuellen Material meine Argumentation entwickle. Das ist intuitiv und geht meistens recht schnell, vor allem, wenn man sich wie ich oft beim Schreiben an Details aufhängt. Der rote Faden wird mir auf diese Weise viel klarer. Das Problem ist nur, dass ich danach den roten Faden aufschreiben muss, weil die Präsentation selbst ihn nur andeutet. Und was ist peinlicher, als wenn man sein eigenes Argument vergisst. Auf dem Podium.Vor hundert Leuten.
Wie war das noch im Mittelteil?